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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ersten Schritten verließ sie fast der Mut, aber dann riss sie sich zusammen und ging auf ihn zu. »Gott zum Gruß, Raimund«, sagte sie mit bebender Stimme.
    Er drehte sich zu ihr um. Einen Augenblick lang glaubte sie, so etwas wie Freude in seinem Blick zu erkennen, doch dann wurden seine Augen wieder hart. »Was willst du?«, fragte er brüsk.
    »Ich … es tut mir leid, wenn ich dich belästige, Raimund, aber ich muss mit dir reden.« Ihr Mund wurde trocken. »Bitte! Es geht um Hermann.«
    Er runzelte die Stirn. »Was ist mit ihm?«
    »Nicht hier! Lass uns hinter die Kirche gehen.«
    Auf der Seite der Apsis war eine Mauernische; dort standen sie einander schließlich gegenüber.
    »Also?« Raimunds Stimme war hart. Er hatte Gisa nicht verziehen und ließ sie das deutlich spüren.
    Sie holte tief Luft. »Raimund, ich habe solche Angst. Wieso ist Hermann bei euch?«
    »Er lebt seit kurzem wieder am Hof. Heinrich Raspe wollte seine Erziehung selber übernehmen. Und schließlich hielten wir es alle für gut und richtig, dass der zukünftige Landgraf in Thüringen aufwächst und nicht in Bamberg. Ich verstehe deine Aufregung nicht.«
    Gisa hob mit flehentlicher Miene die Hände. »Ich kenne Heinrich Raspe … ja, sieh mich nur verächtlich an. Ich war einmal verliebt in ihn und wollte ihn heiraten. Und in dieser Zeit habe ich vieles über ihn gelernt. Raimund, er ist von Ehrgeiz zerfressen, er giert nach Macht. Er hat damals geschäumt vor Wut, als Ludwig nicht ihn, sondern Elisabeth zu seiner Stellvertreterin ernannt hat, zweimal, für den Reichstag und später für die Kreuzfahrt. Du hättest ihn sehen sollen. Und dann, beim Abritt von Schmalkalden, da habe ich beobachtet, wie er diesem Ortwin, der jetzt bei ihm ist, heimlich Geld gegeben hat. Ich weiß nicht, wofür, aber ich weiß eines: Ludwig ist nicht heimgekehrt.«
    »Was redest du da?« Raimund war entsetzt. »Weißt du, wie ungeheuerlich diese Verdächtigung ist? Abgesehen davon, dass Ludwig am Fieber gestorben ist. Ich war doch dabei!«
    »Raimund, ich kann nichts beweisen. Aber ich bitte dich, hör mir weiter zu: Ich weiß, dass Heinrich Raspe den Luziferianern angehört …«
    »Bist du denn ganz närrisch geworden?«, fiel ihr Raimund ins Wort.
    Sie nahm seine Hand. »Hör mich einfach an: Schon als Kind habe ich ihn bei heimlichen Messen gesehen. Und dann, vor zwei Jahren, habe ich herausgefunden, dass es in Eisenach Ketzer gibt, die sich ›die Reinen‹ nennen und um ihren Priester Wido scharen. Du kennst ihn doch von früher, diesen unheimlichen kahlköpfigen Alten mit der Brandnarbe. Ortwin gehört auch zu seinen Anhängern.« Sie holte tief Luft. »Ist dir schon einmal der silberne Ring aufgefallen, den Heinrich trägt? Er gehörte früher seinem Vater. Dieser Ring ist ein Zeichen der Ketzer. Ich habe ihn mehr als einmal berührt, und jedes Mal brannte er wie Feuer. Bitte, Raimund, halte mich nicht für verrückt! Ich bin bei klarstem Verstand. Und ich habe furchtbare Angst. Du bist der Einzige, an den ich mich wenden kann! Glaub mir, Heinrich ist böse! Er wird Elisabeths Sohn nicht erwachsen werden lassen!«
    Raimund schüttelte Gisas Hand ab. »Du bist ja von Sinnen!«, zischte er. »Ich rate dir eines, Gisa: Erzähle niemand anderem von diesen Hirngespinsten, denn sonst endest du wegen Hochverrats auf dem Richtplatz – oder in einem Narrenkäfig an der Stadtmauer von Marburg! Heinrich Raspe macht seine Sache als Landgraf gut. Und er versteht sich prächtig mit seinem Neffen. Er besucht regelmäßig die Messe und hat erst im letzten Monat dem Kloster Reinhardsbrunn eine Zustiftung gemacht. Du bist ja irre, solche Dinge von ihm zu behaupten. Und jetzt lass mich in Ruhe!« Er wandte sich zum Gehen.
    »Raimund!«
    »Was noch?« Gereizt drehte er sich um.
    »Frag Primus!«, rief sie.
     
    Er glaubte ihr nicht! Gisa war grenzenlos enttäuscht. Es tat so weh, dass er ihr zum zweiten Mal nicht vertraute. Voller Unruhe ging sie zurück auf den Kirchplatz. Sie konnte es Raimund nicht verdenken, es war wirklich ungeheuerlich, was sie gerade gesagt hatte. Aber wenn er ihr schon nicht glaubte, wer sollte ihr dann die Wahrheit abnehmen? Es gab einfach keine Beweise. Gisa zermarterte sich das Hirn. Was konnte sie jetzt noch tun? Sie versuchte, unter dem landgräflichen Gefolgsleuten Primus zu entdecken – vergeblich. Vielleicht war er nicht mitgekommen. Verzweifelt suchte sie die Brüder Vargula, doch auch sie waren augenscheinlich in Thüringen

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