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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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geblieben. Währenddessen überreichten zwei blumenbekränzte junge Mädchen dem kleinen Hermann ein Geschenk der Bürgerschaft, ein wunderschön bunt bemaltes Schaukelpferd. Heinrich Raspe verfolgte die Szene mit verkniffener Miene. Gisa stand nicht weit abseits, sie sah den Blick, den Heinrich seinem Neffen zuwarf. Und wenn sie jemals an ihrer Befürchtung gezweifelt hatte – nun zweifelte sie nicht mehr: In diesem Blick stand kalter Hass. Sie schnappte nach Luft. Aber da hörte sie schon eine helle, klare Kinderstimme ihren Namen rufen. Hermann hatte sie erkannt. Er riss sich von der Hand seines Onkels los und wühlte sich durch die Menge zu ihr durch. Juchzend fiel er ihr um den Hals. »Mein süßer kleiner Schatz«, rief Gisa und drückte den Jungen an sich, so fest sie konnte. »Geht’s dir gut?« Eine Woge der Liebe erfasste sie. Wie hatte sie den Buben vermisst!
    »Onkel Heinrich bringt mir das Reiten bei, das ist schön!«, plapperte der Kleine übermütig. »Und nächstes Jahr nimmt er mich mit auf die Jagd! Und ich hab ein eigenes Zimmer, das ist ganz grün angestrichen, und auf den Wänden sind Hunde gemalt!« Er sah sich um. »Wo ist Mutter?«
    Gisa strich Hermann über die blonden Locken. »Sie ist im Hospital. Vielleicht darfst du sie besuchen?«
    »Nein«, sagte eine altbekannte tiefe Stimme. »Das darf er nicht.« Gisa zuckte zusammen. Heinrich Raspe war herangekommen und nahm ihr den Kleinen unsanft ab. Hermanns Augen füllten sich mit Tränen. Und da ließ sie alle Bedenken fahren. Sie würde nicht zulassen, dass er ihrem Liebling etwas antat. »Auf ein Wort, Heinrich«, sagte sie.
    Er sah sie ungnädig an. »Jetzt nicht! Was willst du, Gisa?«
    Sie schluckte. »Mit dir über Ludwig reden. Und Ortwin. Und Wido. Ein Haus in Eisenach hinter der Münze. Einen …«
    »Still!« Er war bleich geworden und sah sich hastig nach allen Seiten um. Aber niemand hatte ihre Unterhaltung verfolgt. »Komm nach dem Gericht ins Wirtshaus zum Bären, da ist Gerichtsmahl«, sagte er leise. »Und komm allein.«
     
    Gegen Abend wartete sie mit klopfendem Herzen in einer Nebenstube der Wirtschaft. Eine Schankmagd hatte sie eingelassen und holte nun den Landgrafen. Sie hatte Angst. Mit diesem Treffen brachte sie sich selber in Gefahr, das war ihr bewusst. Aber sie konnte einfach nicht anders. Sie öffnete ein Fenster, ließ sich dann auf einen Scherenstuhl sinken und versuchte, das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu bringen.
    Dann sprang die Tür auf, und Heinrich Raspe stand vor ihr. »Was willst du also?«, fragte er und setzte sich ihr gegenüber.
    »Ich will Sicherheit für den kleinen Hermann.« Gisa brachte es fertig, Heinrich direkt in die Augen zu sehen. Der lachte. »Was soll das, Gisa? Mein Neffe ist an meinem Hof sicher wie in Abrahams Schoß!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du kannst mir nichts vormachen. Ich habe gesehen, wie du ihn anschaust, Heinrich. Ich kenne dich zu gut. Und ich weiß zu viel von dir.«
    Er lehnte sich zurück. »Was kannst du schon von mir wissen, hm?« Er tat so, als sei er ganz entspannt, aber sein Blick wurde lauernd.
    Gisa atmete einmal kurz durch. Dann sagte sie mit fester Stimme. »Ich weiß, dass du einer von den ›Reinen‹ bist. Du gehst regelmäßig zu ihren Treffen in Eisenach. Wido ist euer ketzerischer Priester, und er hält im Haus hinter der Münze Messen ab.«
    »Lüge«, schnaubte Heinrich, »alles Lüge.«
    Sie fuhr ungerührt fort: »Einer deiner Glaubensgenossen ist Ortwin, der Mann mit der Narbe im Gesicht. Du hast ihn mit auf den Kreuzzug geschickt und ihm vorher Geld zugesteckt. Wofür, Heinrich? Ich kenne deine Machtgier! Sollte er dafür sorgen, dass Ludwig nicht zurückkehrt? Sollte er ihn umbringen?«
    Mit einem Wutschrei fuhr der Landgraf hoch. »Du wagst es, mich zu bezichtigen?«
    »Seit dieser Ortwin aus dem Heiligen Land zurück ist, gilt er als dein bevorzugter Leibwächter. Ihr beide seid schier unzertrennlich. Er hat sich das Haus hinter der Münze gekauft, welch ein Zufall!«
    Sie sah, wie seine Kiefer mahlten, aber noch beherrschte er sich. »Selbst wenn das alles wahr wäre – wie willst du es beweisen?«
    »Ich muss es gar nicht beweisen«, erwiderte sie ruhig. »Ich muss es nur Konrad von Marburg erzählen. Er ist päpstlich bestellter Inquisitor, das weißt du. Und du weißt auch, dass er keine Ruhe geben würde, bis du vom Ketzergericht verurteilt worden bist.«
    Heinrich stand auf und sah eine ganze Weile aus dem Fenster. Dann

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