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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Jungfrau, reinlich an Leib, Gewand und allen Dingen, weise, vernünftig, geduldig, männlich, ehrsam und wahrhaftig, seinen Mannen treu und allen Armen barmherzig …

Eisenach, 6 . Juli 1218
    » B leibt, wo ihr seid, die Kirche ist voll!« Einer der Messdiener schrie die Leute an, die sich durch das Portal der Georgskirche drängen wollten. An diesem Tag gab es in Eisenach wohl niemanden, der nicht auf den Beinen war. Die Schwertleite des jungen Landgrafen wurde gefeiert! Natürlich war der gesamte thüringische Adel anwesend, dazu Ministerialen aus der Pfalzgrafschaft Hessen und Verwandtschaft aus dem wittelsbachischen Bayern. Ludwig hatte keine Kosten und Mühen gescheut, das große Ereignis würdig zu gestalten, das war er seinen Gefolgsleuten und sich selbst schuldig. Wenn der zweithöchste Fürst des Reiches zum Ritter geschlagen wurde, dann musste dies im Rahmen eines rauschenden Festes geschehen.
    In der Georgskirche standen die Menschen dicht an dicht gedrängt. Nur ganz vorne beim Chor hatte man einige Bankreihen aufgestellt, auf denen die vornehmsten Damen Platz genommen hatten. Vor dem Altar lag auf dem Boden ein herrlich geschmiedetes Schwert. Dahinter stand Ludwig, ganz in Weiß gekleidet, barhäuptig, die Hände gefaltet. Wie es Brauch war, hatte er die ganze Nacht über gebetet und gefastet. Die Messe begann mit dem Te deum; der volltönende Gesang der Mönche erfüllte das Kirchenschiff. Ludwig spürte eine große Ergriffenheit; er wünschte sich, sein Vater hätte diesen Augenblick noch erlebt. Und er dachte an seinen toten Bruder, dem es nicht vergönnt gewesen war, als Ritter zu sterben. Wie anders war alles gekommen in den letzten beiden Jahren! Statt Hermann saß nun er auf Thüringens Thron, herrschte als Landgraf über ein reiches, ausgedehntes Territorium, das von der Saale bis an die Lahn reichte. Führte Kriege an der Seite des Kaisers. Trug Verantwortung für ein ganzes Land mit seinen Menschen. Ludwig atmete tief durch. Er wollte sein Bestes geben, als Ritter und als Fürst. Ludwig schloss die Augen und bat Gott in einem stummen Gebet um Gnade und Beistand, als der Priester am Ende des Gottesdienstes seine Waffe segnete und sie feierlich mit Weihwasser besprengte. Dann folgte er dem Geistlichen gemessenen Schrittes nach draußen. Er fühlte sich bereit für den großen Augenblick.
     
    Es war Herzog Ludwig von Bayern, der weitberühmte Wittelsbacher, der nun seinen Neffen zum Ritter schlagen sollte. Er war eine eindrucksvolle Erscheinung, groß, massig, mit welligen dunklen Haaren, einem sorgsam gestutzten Bart und dichten schwarzen Brauen. Seine tiefe Stimme hallte über den Platz.
    »Ludwig von Thüringen«, begann er, »du bist nun gekommen, die höchste Mannesehre zu erlangen. Würdig bist du fürwahr, du hast dich trotz deiner jungen Jahre in Krieg und Herrschaft zur Genüge bewiesen. Nun höre meine Worte: Ein Ritter ist stets gekleidet in vier Gewänder: Das eine ist hoher Mut, das andere reiches Gut, das dritte heißt Bescheidenheit und das vierte edler Sinn. Diese Tugenden, die dein ehrenfester Vater dir vorlebte, die bewahr dir für alle Zeit. Sei immer eingedenk der Pflichten und Dienste eines Ritters, denke stets nach über dich und wer du bist. Deine Abkunft und deine Würde halte dir vor Augen. Sei bescheiden und aufrichtig, wahrhaft und wohlerzogen. Sei gütig zu den Elenden und stolz zu den Mächtigen. Ehre und liebe alle Frauen. Lass deinen Schutz angedeihen den Witwen und Waisen. Preise Gott an jedem deiner Tage. Gürte dich mit Milde, wappne dich mit Tapferkeit und halte Maß in allen Dingen. Sei freigebig und verlässlich und wahrhaftig, denn bei meiner Ehre, ich glaube, dass weder Gold noch Zobel besser passen zu Schwert und Schild als Treue und Großzügigkeit. Und bedenke stets, Ludwig von Thüringen, deine Ritterehre ist gleichzeitig die Ehre des gesamten Ritterstands. Beschmutzt du sie, so besudelst du uns alle. Doch ich weiß: Eher wirst du einen ehrenvollen Tod sterben, als dass dies je geschieht. Knie nieder.«
    Ludwig beugte das Knie, und der Wittelsbacher zog sein Schwert aus der Scheide. Er hielt es hoch, damit alle es sehen konnten; das gleißende Sonnenlicht spiegelte sich auf der blankpolierten Schneide. Dann berührte er mit der Spitze des Schwerts die linke Schulter des jungen Landgrafen. »Zu Gottes und Marien Ehr«, rief er mit Donnerstimme. »Nimm diesen Schlag und sonst keinen mehr!«
    Jubel brandete auf, als Ludwig sich als Ritter erhob. Ihm

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