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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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standen die Tränen in den Augen, aber er lächelte. Sein Onkel schnallte ihm das Schwertgehänge um und reichte ihm feierlich die eben geweihte Waffe. Dann befestigte er die silbernen Sporen an Ludwigs Lederstiefeln. Schließlich winkte er einen Diener herbei, der ihm etwas Großes, in eine Decke gewickeltes übergab. Er zog die Decke weg: Es war ein blauer Schild aus Lindenholz, auf den in Leder der rotsilbern gestreifte Thüringer Löwe aufgesetzt war. Augen und Krallen des Löwen waren mit Edelsteinen besetzt. »Hier mein Geschenk, Neffe«, lachte der Herzog. »Möge dieser Schild dich schirmen und schützen von diesem Augenblick an dein Leben lang.«
    Damit war Ludwig aufgenommen in den Kreis der Edlen.
     
    Eine Stunde nach der Zeremonie begann das Turnier. Man hatte die Rolle, den Platz vor dem Steinhof, für das Gestech hergerichtet: In der Mitte war mit Seilen und blau-weißen Tüchern ein Karree eingegrenzt, in dem die Ritter entlang eines hölzernen Geländers gegeneinander anreiten konnten. Auf der schattigen Seite befand sich eine Holztribüne; hier war Platz für die Frauen. Unter einem Baldachin thronte in stolzer Haltung Sophia, neben ihr die Frauen der Familie. Sie waren umringt von den Damen des Adels, alle gekleidet in ihre schönsten und kostbarsten Gewänder. Ein bunter Anblick, vor allem für das einfache Volk, das sich nur ungefärbte Kleider leisten konnte. Die Eisenacher staunten über das Gepränge und jubelten ihrem jungen Landgrafen zu. Auch für sie war heute ein Festtag. Überall in der Stadt brannten Feuer, über denen fette Ochsen sich drehten, es gab Bier aus den landgräflichen Kellern für alle. Vor dem Brothaus wurden Wecken und Kipfe verteilt, und Sophia hatte mittags zu Ehren ihres Sohnes an jedes männliche Kind einen Viertelpfennig ausgeben lassen. Auch Primus und Michel waren unter den Beschenkten gewesen; die Gabe rettete ihnen das Dach über dem Kopf, denn in diesem Monat hatte der Vater wegen schlimmer Schmerzen im Bein nicht arbeiten können. Wie so viele andere Bedürftige konnten sie und ihre Familie sich an diesem Julisamstag zum ersten Mal nach langer Zeit wieder einmal richtig satt essen. Da war das Turnier selber gar nicht mehr so wichtig.
     
    Am späten Nachmittag überließ man die Rolle den Eisenachern zum Weiterfeiern und begab sich in den Festsaal des Steinhofs, wo schon alles für das Bankett vorbereitet war. Der junge Landgraf speiste mit Appetit, sprach dem mit Alant und Safran gewürzten Wein kräftig zu und war gesprächig wie sonst selten. Etliche Herren vom Adel hielten launige Tischreden, und die Damen erfreuten die Gesellschaft mit einem Reigen, den sie zur Begleitung zweier Schalmeien tanzten. Keiner war mehr nüchtern, als zu später Stunde sich noch einmal der alte Heinrich von Ebersburg erhob und mit schwerer Zunge ein Fürstenlob auf den frischgebackenen Ritter anstimmte. Am Ende seiner Rede, die er hochroten Gesichts und schwankend vorgetragen hatte, kam er auf etwas zu sprechen, das den Hofadel schon seit längerem beschäftigte. »Mein lieber, hochverehrter junger Herr«, schnarrte er, »als Fürst und Ritter steht Ihr noch am Anfang Eures jungen Lebens. Macht, Reichtum und Ansehen habt Ihr zur Genüge und werdet es noch mehren. Die Zeitläufte sind günstig. Eure Untertanen verehren Euch, die Ritterschaft steht hinter Euch wie ein Mann. Das Einzige, was Euch jetzt noch fehlt – und das darf ich als väterlicher Getreuer wohl sagen –, ist die rechte Frau.« Er hickste. »Ein gutes Weib, das Euch die Nächte süß macht, das Euch bei jeder Heimkehr mit ausgebreiteten Armen empfängt, das Euch Hof und Haushalt führt, wie es guter Brauch ist. Und das Euch gesunde, starke Söhne schenkt!«
    Die Gäste klatschten und johlten, während Ludwig verlegen lächelte. Einer der Vargula-Brüder erhob sich und schrie: »Ja, mein Junge, such dir eine Braut! Das ganze Land wird jubeln, du kannst dich drauf verlassen! Darauf wollen wir trinken!« Er hob seinen Pokal, und die ganze Gesellschaft tat es ihm gleich.
    Ludwig machte gute Miene zum bösen Spiel und trank mit. Danach wurde die Sache Gott sei Dank nicht mehr weiter vertieft, und der junge Landgraf atmete auf. Die gutgemeinte Rede des alten Ebersburgers hatte seinen wunden Punkt getroffen. Denn Ludwig hatte nichts weniger im Sinn als eine baldige Heirat. Überhaupt waren ihm Frauen nicht geheuer; einerseits fühlte er sich zu ihnen hingezogen, andererseits empfand er regelrecht Furcht und Abscheu

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