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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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das sein?«
    Ludwig grinste spitzbübisch. »Das ist ein Püsterich«, sagte er. »Ich zeig es euch.«
    Er füllte Wasser aus einer Schnabelkanne durch die Mundöffnung in das Innere des Fettwanstes. Dann setzte er die Figur mitten in die Glut des Kohlebeckens, das neben dem gepolsterten Lehnsessel der Landgräfin stand. Wir warteten. Langsam hörten wir, wie das Wasser zum Sieden kam. Und dann, mit einem Mal, blies der Püsterich unter durchdringendem Gepfeife weißen Dampf aus seinem gespitzten Mund. Mir blieb fast das Herz stehen, einige der Frauen kreischten laut. Schließlich brandete allgemeines Gelächter auf. Das war ja etwas nie Dagewesenes, ein unglaubliches Ding, ein Spielzeug für einen König! Ludwig sonnte sich in dem allgemeinen Beifall, während der Püsterich blies und pfiff.
    Und dann stand Eilika auf, ging hüftenschwingend zum Kohlebecken, streckte graziös die Hand aus und hielt einen Finger in den kochendheißen Dampf. So dumm konnte doch gar niemand sein! Im Nachhinein waren wir alle überzeugt, dass sie es aus reiner Berechnung getan hatte. Natürlich verbrühte sie sich, tat einen spitzen Schrei und steckte den Finger in den Mund. Der gute Ludwig fühlte sich schuldig, nahm ihre Hand und blies auf die sich bildende Blase an ihrer Fingerspitze. Sie neigte sich ganz nah zu ihm hin, aufreizend nah, und ich sah, dass er rot anlief. »So ein Luder, so ein durchtriebenes«, flüsterte die alte Gudensbergerin. »Pass auf, die will noch Landgräfin werden«, raunte die Schlotheimerin zurück. »Ihr Mann wäre schließlich nicht der Erste, der nicht aus dem Heiligen Land zurückkommt; damit rechnet sie, die Matz.«
    Dieses Biest! Machte sich an Ludwig heran! Aus dem Augenwinkel heraus sah ich Elisabeths verletzten Gesichtsausdruck. Und da begriff ich endgültig: Sie liebte ihn! Sie und Ludwig! War es nicht das Selbstverständlichste auf der Welt, dass die beiden zusammengehörten? Elisabeth und der Bruder ihres toten Bräutigams? Was lag näher? Aus ihrem Gesicht las ich Eifersucht, Zorn, Kränkung. So gekränkt und aufgebracht war sie, dass sie alle Demut vergaß. »Ich könnte das liederliche Weib umbringen«, raunte sie mir zu, und ich flüsterte zurück: »Nur zu, ich bin die Letzte, die dir das übelnimmt!«
    Und dann kam es noch schlimmer. Als kurze Zeit später Ludwig das Frauenzimmer verließ, knickste Eilika noch einmal vor ihm, sah ihn von unten her mit einem Augenaufschlag an, der einen Mönch zum Wilden gemacht hätte, und flötete: »Meinen Dank für Eure Freundlichkeit, Liebden. Ich bin ein so ungeschicktes Ding – jetzt weiß ich, dass Euer hübscher Püsterich fast so heiß brennt wie die Liebe!« Dabei ließ sie Ludwig so offen in ihren Ausschnitt blicken, dass ich es gar nicht fassen konnte. Himmel, wie unverblümt konnte sich eine Frau einem Mann denn noch anbieten? Ich sah mit Befriedigung, dass der Mund der Landgräfin schmal wie ein Strich wurde. Nachdem Ludwig gegangen war, winkte sie Eilika zu sich. Ich stellte mich unauffällig ganz in die Nähe und hörte sie sagen: »Wenn Ihr Euch in Zukunft nicht so verhaltet, wie es einer verheirateten Frau ansteht, Eilika von Kaulberg, und meinem Sohn noch ein einziges Mal auf unziemliche Art nahe kommt – ich schwör Euch, dann schick ich Euch ins Kloster.«
    Mit dem Gefühl tiefster Genugtuung ging ich an diesem Abend zu Bett, natürlich nicht ohne Elisabeth vorher noch von Sophias bösem Tadel berichtet zu haben. »Ins Kloster«, sagte ich, »da gehört sie hin, das schamlose Weibstück. Da kann sie keinen Schaden mehr anrichten.« Elisabeth drückte erleichtert und dankbar meine Hand. Damals konnte keine von uns ahnen, auf welch furchtbare Art sich die Drohung der Landgräfin später bewahrheiten sollte.

Primus
    W ir haben nichts zu heizen. Früher, auf dem Hof, da sind wir in den Wald gegangen und haben Reisig gesammelt, und Tannenzapfen. Immer hatten wir was zum Schüren. Jetzt, in der Stadt, da müssen wir Brennholz kaufen; in den Wald ist es zu weit. Bloß wovon sollen wir es kaufen? Es ist nämlich so, dass der Vater seit Weihnachten nicht mehr beim Rotgerber arbeitet. Sein Bein ist wieder schlimmer geworden. Na ja, es war sowieso eine eklige Arbeit. Er musste im Stehen mit dem Schabeisen die Fleisch- und Fettreste von den Häuten abschaben, und das Zeug war immer schon stinkig und faulig. Wenn er abends heimgekommen ist, haben wir den alten Schweinegestank von unserer Wohnung geradezu für Blumenduft gehalten. Mich hat der

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