Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
davon herschenken könnte, dann wär ich bestimmt nicht traurig, ich nicht!
    Irgendwann werd ich sie vielleicht mal fragen, warum sie sich nicht ihres Lebens freut, wo es ihr doch so gutgeht. Na ja, vielleicht lass ich’s auch lieber, bevor sie mir böse ist und ich nichts mehr von ihr kriege.

Aus der Kreuzzugs-Chronik des Raimund von
Kaulberg, geschrieben 1219–1221
    Im Monat August des Jahres 1219 kam ich nach fast drey monatiger Reiße wieder zu Egypten an. Vieles hatte sich seytdeme verändert, Got seys geprießen zum Guthen. Ich erfuhr, daß kurtz nach meiner Heymfahrt im lezten Jahr der Ketten-Thurm gefallen war. Doch die Saracenen sperrten darnach den Fluss Nil, indeme sie darin Schiffe versenckten, sodaß die Kreutz Ritter nit mit ihren Booten biß vor Damiet fahrn konnten. Auch griff sie der Sulthan al Adil mit seinem Heer bestendig an und viele hauchten ir Leben auß. Da ergab es sich durch Gots Fügung, daß der Sulthan starb und die Mußelmanen darnach Halß über Kopff ihr Lager auff gaben. Die Kreutz Fahrer machten unermeßliche Beuthe und drangen weiter biß Damiet. Dort begannen sie die Belagerungk, konnten aber die Stadt nit zu Fall pringen. Denn den gantzen Winter über ward das Heer geplagt von einer furchtbarn Seuche. Man nannte die Kranckheit Schwarz-Fieber, dieweiln die Befallenen schwartzes Wasser ließen und endtlich an der trockenen Hitz starben. Jeder sechste, so sagte man mir, war nach dem Wintter thot.
    Alß ich, beladen mit meiner groszen Sünd, vor Damiet ankam, hob unßer Fußvolck ein breitten Graben aus, der unß gegen Angriffe schützen sollt. Es war so heiß und die Sonn brannt so starck vom Himmel, daß keiner von unß die Rüßtung tragen konnt, nit einmal, wenn wir sie, so wie die Mußelmannen es thaten, mit Umhängk und Tüchern schützten. Deßhalben gab es viel Tote bei den Scharmüzeln und Angriffen. Gott sey den armen Seelen der Männer gnedig, die im Staub Egyptens so ihr Leben laßen mußten. Aber auch die Lebenden warn am End ihrer Kräfthe. Zu Mittag lagen wir alle im Schatten unßrer Zelthe, es war bald zu heiß zum athmen. Auch die Rösser litten große Noth, die Roßknechte benetzten sie drey mal am Tag mit Waßer, wovon wir, dem Himel sey Danck, genugk hatten. Sonst wärn wir allsamt elendiglich zu Grund gangen.
    Dann, alß die größte Hitz vorbey war, brach im Lager erneut das Schwartze Fieber auß, und es wüthete so arg, daß viele von unß die Hoffnungk verlorn. Mir war es gantz gleich, ob ich sterben oder leben sollt, ich gab mich all in Gottes Handt. Wenn du mich strafen willst, o Herr, so betete ich, dann thue es itzo, ich will alles von dir annehmen. Aber der guetige Gott hat mich gnedig verschont. Auch mein alter Kampfgenoß Herr Neithard vom Reuenthal blieb gesundt, ich traf ihn wieder im Heer der Östereicher. Er hat ein Lied geschriben, das singen sie allerorten im Lager: »Wenn dich die Leuthe fragen / wie’s um die Pilger steht / so sage: schlimm / Wir sollten jetzt / in Östreich seyn / Den Freuden-Tagk / laß uns, Got, erleben / daß wir zur Heymat fahrn / Wir alle sindt am Ende / vom Heer die Hälfthe tot.« An den traurigken Wortten kann ein jeder ermessen, wie arg es im Herbst des Jahrs 19 um uns Francken, wie uns die Feinde nennen, standt. Herr Neithardt fragt mich, wie es käm, daß ich wieder hier sey. Ich erzält ihme alles, und sehnt mich dabey nach Thüringhen. Ob ich diße Heymat wol auff immer verlorn hab? Herr Gott, wenn Du mir vertzeihn kanst, lass mich mein Landt einst wieder sehn!
     
    Mitthen in der bößesten Lage griffen die Mußelmanen endtlich an. Ich kann nit beschreiben, wie furchtbar die Schlacht tobte. Es ging Stunden hin. Der Boden war von Bluth schwartzrot, überall lagen Tothe, abgehackte Gliedmaßen, sterbende Rösser, schreiende Verwundethe. Mehr alß einen altten Kämpffer sah ich im Staub grüne Galle von sich geben, weil er den Anblick der schröcklichen Wunden nit ertragen konnt, die er selbst geschlagen. Unsre Rüßtungen warn besudelt von Hirn, Bluth und Koth, der den Sterbenden abging. Alß wir schon kurtz davor warn, uns selber auff zu geben, da plötzlich standt ein kleiner Mann auff, in der grauen Tracht eins Mönchs, der beschwor uns, durch zu haltten. Er sprang auf den auffgedunsnen Bauch eins tothen Pferds und schrie: »Ihr edlen Ritter und frommen Kämpffer! Auf Euch ruhet die Hoffnungk des christlichen Abendlandts! Laßt nit ab von Eurem gerechten Streben nach dem Sieg, habt Vertraun,

Weitere Kostenlose Bücher