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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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merckwürdigen Instrument Lieder vor, die frembt arttig klangen, mich auff muntern sollten und meine Geneßung befördern. Und in der That ging es mir langksam beßer; der Morgen kam, an dem ich mich zum erßten Mal von meinem Lager erheben konnt. Von da an gingk ich jeden Tagk mit Musa ad-Din im Garten spatziern, oder wir setzten unß an das Waßer Spiel und sprachen über vieles, das unß bewegte.
    Und so hab ich zuletzt auch die schlimbste That meins Lebens vor ihm offenbart: Daß ich im Zorn den Beyschläfer meines Weibes erschlugk. Er sagte nur dazu: »Bei Allah dem Allmechthigen – hier zu landt hett man nit nur den Mann getöthet, sondern auch die ungethreue Frau gesteynigt. Du hast milde gegen sie gehandelt.« So erleichterte er mir mein Gewißen, das mich immer noch plagte. Dennoch weiß ich jetzt, daß es falsch war, Vergebungk im Zeichen des Kreutzes zu suchen. Denn der Todt eines Menschen bringt den andern nit zurück, auch wenn es ein Heyde ist. Eine Schuldt kann nit durch eine andre getilgt werden. Und ich weiß auch nit mehr, ob der Kreutz-Zug eine gerechte Sach ist. »Das Kreutz rettet die Menschen, mich führt es in die Irre«, so sagte einst ein Freundt, der späther im Schlamm des Nils starb. Heut versteh ich ihn. Auch mir hat die Fahrt nach Outremer nichts als Zweiffel gebracht. Ist meine Schuldt gesühnt? Ich weiß es nit. Ich habe Gott vile Male mein Leben dargeboten, hett wohl auch oft gern den Tod erlitten, um mein Unglück zu endigen. Er hat mir nit erlaubt, zu gehn. Dass ich nit starb – ist es Vergebungk oder Strafe? Hat der Herr mir vertziehn, oder will er mich nur lenger leyden lassen? Ich habe Musa ad-Din gefragt, aber auch er hat keine Antwortt gewußt. »Ich kenne deinen Gott nicht«, hat er erwidert, »aber nimm seinen Ratschluß an, mein junger Freundt: Er hat dich am Leben gelaßen. Nun erweiße dich würdig. Mach Gutes auß dißem Leben, nutze es und hör auff, dich zu quälen.«
    So entschloß ich mich, nit mehr zu hadern, sondern in der Zukunfft ein beßrer Mensch zu seyn als vorher. Und der Tagk kam, daß ich Musa ad-Din unther Tränen verließ, umb in die Heymath zurück zu kehrn. Immer noch hatt ich ja einen Herrn, dem ich in Ehren verpflichtet war. Sein Wunsch war es geweßen, daß ich nach meiner Buß wiedrum in seine Dienst treten sollt. Also ging ich endtlich, nachdeme ich vollends geneßen war, an Bord eines welschen Handels-Schiffs, das Papir, Brokath und Weihrauch für Genua geladen hatt, und macht mich auf den Weg zurück nach Thüringen.

Wartburg, Sommer 1221
    » A uf ein Wort!« Heinrich Raspe hielt den Schlotheimer am Ärmel fest. Die Abendmahlzeit in der Hofstube war beendet, und der Truchsess wollte gerade gehen. Jetzt wandte er sich um.
    »Ah, Herr Heinrich«, lächelte er. »Was habt Ihr auf dem Herzen?«
    »Nicht hier.« Der Bruder des Landgrafen zog Hermann von Schlotheim auf den Gang hinaus in eine Fensternische. Er vergewisserte sich, dass ihnen niemand zusah, dann sagte er mit leiser Stimme: »Uns beide, Herr Truchsess, verbindet mehr, als wir sagen dürfen.« Dabei hob er langsam seine linke Hand. Am Mittelfinger glänzte der silberne Ring seines Vaters.
    Der Schlotheimer nickte ernst. Auch er gehörte seit langem schon zu den »Reinen«, so wie manch anderer bei Hof. Etliche vom Adel waren ihrem Landgrafen im Glauben gefolgt, damals, als er sich den Katharern zugewandt hatte. »Sprich«, sagte er ruhig und ging damit zum vertrauten Du des Glaubensbruders über.
    Heinrich Raspe begann vorsichtig. »Ich wollte mit dir reden, weil auch du nicht froh sein kannst über die Pläne, die mein Bruder hegt.«
    »Welche Pläne?« Hermann von Schlotheim hob die Augenbrauen.
    »Du weißt nicht? Nun ja, er hat mir, natürlich ganz im Vertrauen, erzählt, dass er sich bald mit neuen Männern umgeben möchte.«
    »Was soll das heißen?«, fragte der Schlotheimer mit lauerndem Gesichtsausdruck.
    »Dass du nicht mehr lang Truchsess sein wirst, mein Freund.« Heinrich bemerkte mit Genugtuung das Aufflackern der Wut im Blick des anderen. »Ludwig will den alten Führungskreis um seinen Vater ablösen.«
    Des Schlotheimers dicke Backen zitterten vor verhaltenem Zorn. »Das kann er nicht machen!«
    Heinrich Raspe zuckte mit den Schultern. »Er ist der Landgraf.«
    Ein paar von der Dienerschaft gingen an der Fensternische vorbei und trugen auf großen Tabletts Essen ab. Die beiden Männer verstummten und warteten, bis sie außer Hörweite waren. Dann fuhr Heinrich fort.

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