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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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dalag und voll Sehnsucht zuhörte. Längst dachte ich dabei nicht mehr an meine Kinderliebe Raimund von Kaulberg, der jetzt irgendwo in Outremer kämpfte, sondern an Heinrich Raspe. Jedes Mal, wenn ich ihn traf, klopfte mein Herz wie wild. Manchmal träumte ich sogar von ihm. Wie gern wäre ich mit ihm so glücklich gewesen wie Elisabeth mit ihrem Ludwig.
     
    Als Elisabeth schließlich verkündete, dass sie guter Hoffnung sei, war der Jubel groß. Ludwig las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Er stopfte ihr Kissen in den Rücken, wenn sie irgendwo saß, brachte ihr Leckerbissen ins Frauenzimmer, ging alle Tage mit ihr im Obstgarten spazieren. Damals begann es, dass sie jedes Mahl gemeinsam einnahmen, was für einige Missstimmung am Hof sorgte. Es war nun einmal nicht üblich, dass Männer und Frauen miteinander speisten. Die Männer nahmen die Mahlzeiten meistens gemeinsam in der Hofstube ein, zusammen mit dem männlichen Gesinde. Und die Frauen aßen eben mit den Kindern im Frauenzimmer, das war schon immer so gewesen. Dass Elisabeth nun zusammen mit Guda und mir zu den Hauptmahlzeiten ihre Gemächer verließ und wir uns mit den Männern an einen Tisch setzten, führte allenthalben zu Unverständnis. Man sah es als eine Überschreitung unserer Grenzen an, und natürlich fühlte man sich auch gestört. Schließlich konnten die »richtigen« Männergespräche beim Essen nicht mehr geführt werden, wenn vornehme Damen anwesend waren. Man konnte nicht mehr über Herrschaft und Recht reden, über Kampf und Schlacht, über Geld und Männersachen. Und man musste sich die ganzen Unflätigkeiten verkneifen, die sonst gang und gäbe waren, die Schimpfwörter und das Fluchen. Die Blicke, die man uns bei Tisch zuwarf, sprachen Bände. Weiber gehören nicht hierher, sagten sie, ihr maßt euch zu viel an. Wir wollen euch nicht dabeihaben. Einmal sprach es sogar der von Eckardsberga aus: »Herr«, sagte er zu Ludwig, und wir saßen daneben, »Eure Ritter möchten bei den Mahlzeiten lieber unter sich bleiben, wenn Ihr erlaubt. Frauen haben ihren Platz bei ihresgleichen, wie es Herkommen ist.«
    Ludwig lief rot an. Er nahm Elisabeths Hand und antwortete mit unterdrücktem Zorn: »Wenn einer unter Euch ist, Ihr Herren, denen die Anwesenheit meiner Ehewirtin, der Landgräfin, nicht angenehm ist – nun, drüben an den Gesindetischen ist noch genug Platz. Er möge sich jetzt hinübersetzen oder in Zukunft schweigen.«
    Alle sahen, dass sich der Landgraf nur mühsam beherrschte. Natürlich stand niemand auf und ging, und niemand wagte es ab da mehr, uns schief anzusehen.
     
    Die Leute am Hof hatten sich nun eben darauf einzustellen, dass es Veränderungen gab, das war zumindest Ludwigs Meinung. Er war der neue Landgraf, und sie alle hatten ihm den Treueid geschworen. Ob es klug war, den Adel so vor den Kopf zu stoßen, weiß ich nicht. Besonders die Inhaber der Hofämter, die unter Ludwigs Vater gedient hatten, äußerten ihre Unzufriedenheit mehr oder weniger offen. Viele machten Elisabeth für alles verantwortlich, es hieß verächtlich, Ludwig würde sich im Bett seiner Frau »verliegen« und sich vor lauter Verliebtheit zum Narren machen. Aber dann – ich erfuhr es von Elisabeth, der er alles erzählt hatte – weihte er den Hofadel in seine Zukunftspläne ein: Er wollte ein großes Territorium schaffen, das von Hessen über Thüringen und Meißen bis in die Niederlausitz reichen sollte. Sogar Ostpreußen wollte er erobern, zusammen mit dem Deutschen Orden! Bei Gott, das war ein ehrgeiziges Vorhaben und hätte ihn wohl zum mächtigsten Fürsten des Reiches gemacht. Seinen Lehnsleuten verhieß dies neue Güter und Ländereien, und so waren sie zumindest fürs Erste wieder mit ihrem Herrn versöhnt. Als es zu einem ersten offenen Konflikt mit Meißen kam, standen sie jedenfalls alle wie ein Mann an seiner Seite.
     
    Und dann kam der Sommer des Jahres 1221 und mit ihm ein Tag, der mir große Trauer bringen sollte.
    Ich weiß es noch wie heute: Ich stand bei der Zisterne, eine Kruke mit Wasser in der Hand. Es war ein klarer, sonniger Morgen. Aus der Küche roch es schon verlockend. Jemand schüttete neben dem großen Misthaufen ein Schaff mit blutigen Fleischabfällen aus, und sofort schossen kläffend die Burgköter herbei, um sich um die besten Stücke zu balgen. Die Els fegte vor ihrem Hühnerhaus Federn zusammen und stopfte sie in einen Sack. Ich beobachtete das Treiben eine Weile – und dann sah ich ihn. Fröhlich trabte

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