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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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denn Byron starb erst 1824, zumindest in der Geschichte, an die Doyle sich erinnerte und in der Byron 1810 natürlich nicht in London war... Nun, wenigstens konnte er die Dinge im Auge behalten.
    Wenige Schritte zu seiner Rechten stand ein üppig begrünter Roßkastanienbaum, dessen Stamm mehreren Zeltseilen als Verankerung diente, und mit ein paar Sprüngen brachte er sich dahinter in Deckung. Aufblickend, sah er einen Ast, der ihn mit Leichtigkeit tragen konnte und in Reichweite schien. Er sprang hoch und erfaßte ihn. Plötzlich baumelte die Kette, die von seinem rechten Absatz hing, frei in der Luft und berührte nicht mehr den Boden.
    »Er ist verschwunden!« rief einer der Yags mit hohl kreischender Stimme.
    »Wilbur!« schrie Romany. »Ist Byron noch da und bei Bewußtsein?«
    »Avo, rya!«
    Romany fragte sich, wovon der Yag reden mochte. Konnte ein Fremder in der Nähe gewesen sein? Wenn es der Fall war, schien er fort zu sein.
    Richard hatte den Wagen unter größter Selbstüberwindung neben das village Bavarois gefahren und stieg nun vom Kutschbock und näherte sich dem Spielzeug.
    »Kannst du das Ding allein auf den Wagen heben?« fragte Romany ungeduldig.
    »Ich... ich glaube nicht, rya«, stammelte Richard, den Blick abgewandt von den unruhigen Feuerriesen.
    »Wir müssen sie sofort aus dem Lager locken. Wilbur! Töte Byron und komm her!«
    Richard verzog das Gesicht. Im Laufe seines Lebens hatte er mehrere Menschen umgebracht, aber jedesmal war es ein verzweifelter, heißblütiger und ungefähr ausgeglichener Kampf gewesen, und nur die Überlegung, daß er selbst getötet worden wäre, wenn er sich zurückgehalten hätte, hatte ihm während der späteren Stunden zitternden Entsetzens und immer wieder aufkommender Übelkeit aufgerichtet; einem Gefesselten kaltblütig die Kehle durchzuschneiden, lag nicht nur außerhalb seines Vermögens, sondern sogar, wie ihm in diesem Augenblick unglücklich bewußt wurde, jenseits seiner Fähigkeit, untätig dabeizustehen und zuzusehen.
    »Warte, Wilbur!« schrie er, und als Romany sich zornerfüllt nach ihm umwandte, streckte er kurz entschlossen die Hand aus, schaltete den Mechanismus des village Bavarois ein - und brach dann den Schalthebel ab.
    Sobald er Dr. Romanys Befehl, daß Byron zu töten sei, vernommen hatte, war Doyle mit der Hoffnung, diesen Wilbur zu entdecken und vielleicht etwas auf ihn zu werfen, auf dem annähernd horizontalen Ast hinausgekrochen, aber er hatte noch nicht gelernt, das größere Gewicht seines neuen Körpers zu berücksichtigen - der Ast bog sich ächzend abwärts, und dann brach er mit einem unangenehm berstenden und splitternden Geräusch ab.
    Das schwere, mit Zweigen und Laub besetzte Stück des Astes fiel samt seinem Reiter durch das Dach des darunterstehenden Zeltes und demolierte, was den Zigeunern als Küche gedient hatte; Kessel, Schöpfkellen, Töpfe und Pfannen fügten dem Rauschen und Knacken des Laubes und der Zweige, dem Zerreißen der Zeltbahn und dem dumpfen Schlag des aufprallenden Aststücks ein höllisches Geklirr und Geschepper hinzu, und kurz darauf wurden die nach außen geblähten und allmählich zusammensinkenden Zeltwände von innen durch Feuerschein erhellt.
    Doyle wälzte sich vom zusammenbrechenden Zelt und landete auf allen vieren im Gras. Die Feuersäulen jenseits der Zelte schwollen und brüllten wie ein hochgehendes Treibstofflager, und er sagte sich, daß er Gespenster gesehen haben mußte, als er, noch auf dem Ast, gedacht hatte, die Flammen seien wie Menschen geformt.
    Er sprang auf, wachsam und bereit, in jede Richtung zu laufen, die Sicherheit zu bieten versprach, und sobald sein Fuß mit der Kette den Boden berührte, spürte er von neuem die forschenden, wehenden Berührungen in seinem Geist und hörte eine der nichtmenschlichen Stimmen rufen: »Da ist er wieder!«
    »Hallo!« rief eine ähnliche Stimme. »Brendan Doyle! Komm und sieh unser Spielzeug!«
    »Doyle ist hier?« hörte er Romany rufen. »Jaaah!« brüllte etwas in einem dröhnenden Baß, der die Zähne rasseln machte, und eine horizontale Flammensäule stieß in rasender Schnelligkeit über dreißig Schritte weit vor und verwandelte eines der Zelte in eine Fackel. Inmitten der Schreie der in Panik herauskrabbelnden Zigeuner glaubte Doyle irgendwie fröhliche Musik aus einem Pianoforte und einem Akkordeon zu hören.
    Auf seinen gefederten Schuhen wie eine Bachstelze wippend, eilte Dr. Romany fort von den Feuerbränden, kam aber jäh zum

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