Die Tore zu Anubis Reich
fühlte eine weitere Aufwallung des Schwindelgefühls, schüttelte kräftig den Kopf, tat mehrere tiefe Atemzüge der frischen Nachtluft und ging durch das Gras weiter. Er beschloß das Zeltlager auszukundschaften. Dazu brauchte er den Zelten selbst nicht einmal nahe zu kommen.
Ein weiterer Gedanke ließ ihn innehalten. Dann grinste er abweisend und ging weiter, nur um einen Augenblick später abermals stehenzubleiben. Warum nicht? fragte er sich. Genug Verrücktheiten haben sich bewahrheitet, so daß es einen Versuch lohnen könnte.
Er setzte sich ins Gras, zog den rechten Stiefel aus und schnitt und bohrte mit Hundsgesicht-Joes - oder vielleicht Benners - Taschenmesser ein Loch durch die Fersennaht. Dann zog er den Strumpf herunter, das Stück Uhrkette aus der Tasche, band ein Ende davon um den bloßen Knöchel und zog den Stiefel wieder an. Mit der Messerklinge war es nicht schwierig, das lose Ende der Kette durch das Loch im Stiefel herauszustochern, so daß es seiner Ferse eine Elle lang nachschleifte. Dann stand er auf und ging weiter auf die Zelte zu.
Die Elementargeister lohten heller und bogen sich nach Süden, wo die Zelte standen. »Seht den verwirrten Mann«, sang einer. »Kommt hierher, ohne zu wissen, was er will.«
»Oder auch nur, wer er ist«, fügte ein anderer mit lebhaftem Interesse hinzu.
Dr. Romany blickte nach Süden, wo er undeutlich Wilbur und Richard beim Anspannen eines Pferdes ausmachen konnte. Sie konnten nicht gemeint sein, dachte er. Die Yags mußten den Byron-Ka meinen, dessen Kopf voller widersprüchlicher Erinnerungen und Instruktionen war und Verwirrung aussandte. Wenn seine Emotionen die Yags weiterhin erregten, mußte er Wilbur Befehl geben, ihn ins Land der Träume zu befördern oder gleich zu töten; er war nicht mehr von Nutzen.
Doyle spürte die hell flackernden Zudringlichkeiten in seinem Geist, wie die Hände und Augen ausgelassener Kinder, welche die Tür zur Bücherei unversperrt finden und hineinschlüpfen, um die Bucheinbände zu befühlen und die bebilderten Schutzumschläge anzugaffen.
Wieder schüttelte er den Kopf, um sich von der Benommenheit zu befreien. Was wollte er überhaupt? Ach ja, natürlich - das Lager auskundschaften, um zu sehen, wo das feine Spielzeug ist... nein! Byron und Romany. Warum, fragte er sich unbehaglich, hatte er gerade eben an ein Spielzeug gedacht? Ein wundervolles kompliziertes Spielzeug mit kleinen Figuren von Menschen und Pferden, die sich auf kleinen Wegen hin und her bewegten... sein Herz klopfte vor Aufregung, und er hätte am liebsten riesige Feuerbälle in die Nacht hinausgeschleudert, die dunklen Felder zu beleuchten.
Da kam ein unheimlicher, brüllender Ruf von vom: »Jaaah!« und gleichzeitig loderten die Flammen jenseits der Zelte hoch auf.
Gleich darauf vernahm er eine eher menschlich klingende Stimme, die aus Leibeskräften rief: »Richard! Nun mach schon voran!«
Was immer dort vorging, schien jedermanns Aufmerksamkeit zu fesseln. Doyle eilte geduckt weiterund hielt ein breites Zelt zwischen sich und dem Feuer, und wenige Augenblicke später kauerte er unmittelbar neben der Zeltwand im Schatten, erfreut über die Feststellung, daß er nicht im geringsten außer Atem war.
Wieder berührte die wehende Fremdartigkeit seinen Sinn, und er hörte eine wilde, tosende Stimme sagen: »Sein neuer Körper läuft besser!«
Mein Gott, dachte Doyle, dessen Hände plötzlich feucht wurden, jemand dort drüben liest meine Gedanken!
»Kümmert euch nicht um ihn!« rief die Stimme, die Doyle nun darin von den anderen unterscheiden konnte, daß sie menschlich war. »Er ist gebunden! Wenn ihr das Spielzeug wollt, müßt ihr euch beruhigen!«
»Schuhe ist überhaupt nicht für einen Spaß zu haben«, sagte eine andere der nichtmenschlichen Stimmen.
Doyle wurde es in dieser Umgebung unheimlich; er stand auf und wandte sich in die Richtung, aus der er gekommen war.
»Richard!« rief die Stimme, die Doyle nun als Dr. Romanys zu erkennen glaubte. »Sag Wilbur, daß er bei dem... bei Byron bleiben und sich bereithalten soll, ihn zu töten, wenn ich den Befehl gebe.«
Doyle zögerte. Er schuldete Byron nichts, abgesehen davon, daß der Mann ihm eine Mahlzeit bezahlt und ein paar von seinen Sovereigns gegeben hatte... Aber die hatten von Anfang an Romany gehört. Immerhin hätte er ihm nicht helfen müssen... Andererseits hatte Doyle ihm eingeschärft, nicht hierher zurückzukommen. Außerdem konnte es nicht gar zu schlimm werden,
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