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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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und drückte sich gegen das Gemäuer der nächsten Wand, obwohl er von oben zwischen den Schatten der Gebäude so gut wie unsichtbar sein mußte. Aber die unmöglich hoch springende Gestalt war Dr. Romany gewesen, selbst in diesem kurzen Augenblick unverkennbar mit seinem kahlen Kopf, dem flatternden Umhang und den gefederten Untersohlen der Schuhe, die an den voll ausgedehnten Federn fast eine Elle hinter ihm flogen, und das Wahrnehmungsvermögen des Zauberers mochte sehr wohl entwickelter sein als das eines gewöhnlichen Sterblichen.

    Als seine Aufwärtsbewegung nachließ und er die ersten Anzeichen der Schwerkraft spürte, und als die Dächer sich wieder zu heben begannen und die frostige Pracht der hohen Häuser entlang der London Bridge und den erstarrten weißen Fluß darunter verdeckten, erkannte Dr. Romany, daß seine Sprünge nicht mehr so hoch waren wie vor einigen Minuten, und seine Umhüllung aus bewegter Luft verlor ihre Integrität und ließ die erbarmungslose Kälte eindringen. Dies war keine wirkliche Zunahme seiner Macht, sondern nur seine gewöhnliche magische Kraft, die sich weiter in das mehr Archaische erstreckte und darum der Zauberei förderlich war. Die Wirkung begann jedoch bereits nachzulassen. Es glich, dachte er, als er die Beine anzog, sich von einem Dachfirst abstieß und einen langsamen Salto abwärts zum Straßenpflaster beschrieb, einem Mann, der sein gewohntes Schwert leicht findet, nachdem er stundenlang mit einem sehr schweren geübt hat; tatsächlich ist das Schwert unverändert schwer, und die Selbsttäuschung neuer Stärke schwindet rasch. Diese scheinbare Zunahme seiner Macht würde wahrscheinlich nicht die Nacht über dauern, und das Tor in dem Wirtshaus, durch das sie in diese Zeit eingedrungen waren, würde sich gegen Morgen schließen.
    Daher, dachte er bei sich, während er sein langsames Niedersinken zum Stillstand brachte, indem er einen Arm um ein Wirtshausschild legte, das die Gestalt eines tanzenden Mohren zeigte, werde ich so bald wie möglich Fikee und den Meister benachrichtigen müssen, ihnen zu sagen, wo ich bin und warum ich hier bin.

    Dies wird eines der feinen Abendessen, dachte Ezra Longwell, der stets die vorzüglichen Speisen zu schätzen wußte, welche die Bruderschaft ihren Mitgliedern auftischte. Er füllte sein Glas mit Portwein aus der Flasche nahe der Herdstelle auf - in diesem bitterkalten Winter mußte sogar Champagner eine halbe Stunde beim Kaminfeuer stehen, bevor er serviert werden konnte, und Rotweine wie auch Dessertweine benötigten volle anderthalb Stunden. Während er vom noch zu kühlen Wein nippte, trat er an das kleine Spitzbogenfenster, das die Küchenwärme von Eisblumen freigehalten hatte. Mit dem Ärmel wischte er den Niederschlag der Feuchtigkeit von der Scheibe und spähte hinaus. Westlich der Brücke blinzelten Lichter zwischen den dicht zusammengedrängten Buden und Zelten des Jahrmarktes, der sich von den Temple Stairs über den zugefrorenen Fluß bis zum Surrey-Ufer erstreckte. Eisläufer mit Laternen sausten wie Raketen oder Sternschnuppen fröhlich über das Eis, aber Longwell war froh, ein Dach über dem Kopf und Aussicht auf eine warme Mahlzeit zu haben.
    Er trat vom Fenster zurück und nach einem letzten zärtlichen Blick zu den dampfenden Töpfen - »Gib gut acht auf diese bewunderungswürdigen Kapaunen!« sagte er zu der stämmigen Köchin - ging er durch die Diele hinaus zum Speisezimmer, und die dünne Kette an seinem Knöchel klirrte leise auf den gewachsten Dielenbrettern.
    Owen Burghard blickte auf und lächelte, als Longwell eintrat. »Na, Ezra, und wie halten sich die Achtundsechzig aufrecht?«
    Longwell errötete im Bewußtsein der erheiterten Blicke, die er von den anderen Mitgliedern erntete, während er zu seinem gewohnten Platz ging. »Nicht allzu schlecht«, sagte er barsch und ließ sich nieder. Der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht. »Aber zu verdammt kalt.«
    »Um so besser hilft es, dein sanguinisches Temperament zu mäßigen, Ezra«, sagte Burghard und beugte sich über den auf dem Tisch ausgebreiteten Plan. Er nahm seine Tonpfeife aus dem Mund, zeigte mit dem Stiel auf den rechten Rand der Karte und sagte in seiner etwas pedantischen Art: »Sie sehen also, meine Herren, daß diese Perioden verstärkter Tätigkeit von Seiten Fikees und seiner Zigeunerbande...«
    Er wurde von heftigen Schlägen gegen die Tür unterbrochen.
    Im Nu waren alle auf den Beinen, und ihre Hände tasteten nach Degengriffen und

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