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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Eigentümlichkeit der zweiten Stimme versetzte den Kriecher in höchste Beunruhigung, und er setzte sich so hastig auf, daß er vom Boden abhob und einige Augenblicke lang wie ein beinahe entleerter Heliumballon schwebte, und als er wieder zu Boden sank, stieß er sich kräftig ab und flog zwanzig Schuh hoch in die Luft, um besser sehen zu können.
    Zwei Männer gingen von den brennenden Zelten fort über die Wiese, und die langsam sinkende Kreatur starrte in Entsetzen auf die größere der beiden Gestalten. Ja, sehr groß, dachte sie, und - bei Isis! - eine dichte Mähne und ein Bart, die blond zu sein scheinen! Doch mit wessen verdammenswerter Hilfe konnte er aus jenem Wirtshaus entkommen sein? Und zurück ins Jetzt? Wer ist dieser Doyle?
    Er ruderte ungeduldig mit Armen und Beinen, um rascher den Boden zu erreichen, denn es mußte ihm folgen. Wenn es noch einen Funken Vorsatz und Entschlußkraft in dem verfallenden Ka gab, der einst Dr. Romany gewesen war, dann galt er dem Ziel, Doyle endlich tot zu sehen.

    Das induzierte Fieber ließ nach, und Dr. Romanelli starrte ärgerlich auf seinen friedlich schlafenden Patienten. Verdammt, Romany, dachte er, laß mich wissen, wie es vorangeht. Diese Fiebergeschichte kann nicht mehr lange vorhalten; entweder werde ich ihn umbringen oder gesunden lassen müssen.
    Der Arzt legte die Hand auf Lord Byrons Stirn und fluchte leise, denn sie fühlte sich kühl an. Der Schläfer regte sich, und Romanelli verließ den Raum hastig auf Zehenspitzen. Schlaf weiter, junges Herrchen, dachte er; noch eine kleine Weile - wenigstens, bis ich von meinem unfähigen Duplikat höre. Er schritt in das unordentliche Zimmer, das er als Werkstatt benutzte, blickte hoffnungsvoll in die entzündete, aber leblose Kerzenflamme des Fernsprechens, dann seufzte er und ließ seinen Blick zum offenen Fenster hinauswandern, wo die Sonne jenseits von Missolunghi hinter den Hügeln versank. Der breite Golf von Patras lag bereits im Schatten, und mehrere Fischerboote strebten heimwärts; ihre dreieckigen Segel blähten sich in der Abendbrise.
    Ein sprühendes Geräusch vom Tisch ließ ihn herumfahren, und er starrte auf die Kerze, deren Flamme heller brannte. »Romany!« rief er hinein. »Gelingt es dir?«
    Die Kerzenflamme schwieg, und obgleich sie von Sekunde zu Sekunde heller brannte, wollte sie die Kugelgestalt nicht annehmen.
    »Romany!« wiederholte der Zauberer, lauter jetzt, ohne Rücksicht darauf, ob er Byron weckte oder nicht. »Soll ich ihn jetzt töten?«
    Keine Antwort. Plötzlich bog sich die blendend hell brennende Kerze in der Mitte, wie ein winkender Finger - Dr. Romanelli grunzte überrascht -, dann platzte sie in der Mitte auf und ergoß flüssiges Wachs auf den Tisch. Als die Kerze in einem See aus heißem Wachs zerschmolz, sah Romanelli, daß der Docht in seiner ganzen Länge gelblichweiß glühte.
    Die Götter sollen mich strafen, dachte er, aber das bedeutet, daß Romanys Kerze in diesem selben Augenblick aufbrennt. Sein Zelt muß Feuer gefangen haben. Konnte er die Herrschaft über die Yags verloren haben? Ja, das mußte es sein - sie gerieten zu sehr in Erregung und brannten sein Lager nieder. Dann werden sie morgen auf keinen Fall bereit sein, London einzuäschern; für die nächsten Wochen werden sie gesättigt und träge sein. Romany, du ungeschickte, trottelhafte Fälschung!
    Er wartete, bis der Docht aufgehört hatte zu glühen und die abkühlende Wachspfütze fest zu werden begann, dann ging er zum Wandschrank, sperrte eine Reisetruhe auf und hob behutsam eine weitere Kerze heraus. Er befreite sie aus ihrer Umhüllung, nahm den Glaszylinder von der Petroleumlampe, die in seinem Zimmer als Lichtquelle diente, zündete die Kerze an ihrem Licht an, und innerhalb weniger Augenblicke erblühte am Docht der neuen Kerze die magische runde Flamme.
    »Meister!« rief Romanelli hinein. »Ja, Romany«, antwortete des Meisters krächzende Stimme sogleich. »Sind die Yags umgänglich? Ist das Spielzeug ausreichend...«
    »Nein, nein, hier ist Romanelli. In London muß etwas Widriges geschehen sein. Meine Kerze ist gerade geschmolzen, als ich Verbindung aufnehmen wollte - könnt Ihr mich verstehen? Seine Kerze ist irgendwie aufgebrannt. Ich befürchte, daß er die Herrschaft über die Yags verloren hat. Und nun weiß ich nicht, ob ich Byron töten oder am Leben lassen soll.«
    »Roman- Romanelli? Aufgebrannt? Getötet? Was?« Romanelli wiederholte seine Nachricht mehrere Male, bis der Meister

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