Die Tore zu Anubis Reich
endlich die Situation erfaßt hatte.
»Nein«, sagte der Meister. »Nein, töten Sie Byron nicht. Der Plan mag noch zu retten sein. Gehen Sie nach London und stellen Sie genau fest, was geschehen ist!«
»Aber es wird mich wenigstens einen Monat kosten, nach England zu kommen«, erwiderte Romanelli. »Und bis dahin...«
»Nein«, unterbrach ihn der Meister. »Reisen Sie nicht - gehen Sie sofort hin! Seien Sie noch heute abend dort!«
Der letzte glimmende Splitter der Sonnenscheibe erlosch hinter den Vorbergen, und draußen auf dem Golf waren keine Boote mehr. Nach einer Pause wiederholte Romanelli in heiserem Flüsterton: »Heute abend? Ich... Ich kann mir dergleichen nicht leisten. Magie solcher Art, wenn von mir erwartet wird, daß ich voll einsatzfähig bin, wenn ich hinkomme.«
»Würde es Sie umbringen?« knirschte des Meisters Stimme aus der Flamme.
Romanelli trat der Schweiß auf die Stirn. »Ihr wißt, daß es mich nicht umbringen wird«, sagte er. »Nicht ganz.«
»Dann verlieren Sie keine Zeit mehr!«
Der kleine Mann, der die Leadenhall Street entlangging, bewegte sich mit einer dreisten Selbstsicherheit, die nicht zu seiner Erscheinung paßte, denn im Licht vereinzelter Fenster und Hauseingänge, die er passierte, sahen seine Kleider aus, als hätte er darin geschlafen, und sein Gesicht, obschon es ein angespanntes Lächeln und seine Augen einen - vielleicht fiebrigen - Glanz zeigten, war abgehärmt und gefurcht, und ein Ohr fehlte vollständig.
Viele Geschäfte hatten bereits geschlossen, aber aus der Eingangstür und den Fenstern des neuen Enthaarungssalons drang noch heller Lichtschein auf die Straße, und der lächelnde kleine Mann ging hinein und schritt zur Theke. Dort stand eine Glocke, um Bedienung herbeizurufen, und er läutete sie so kräftig, als hätte jemand ihm einen Shilling für jeden Ton versprochen, den er hervorbringen könnte, ehe er mit Gewalt daran gehindert würde.
Ein Angestellter kam von der anderen Seite hereingestürzt, verbeugte sich hastig und musterte den kleinen Mann aufmerksam. »Würden Sie vielleicht aufhören, mit der Glocke zu spielen?« sagte er laut.
Das Läuten hörte auf. »Ich möchte mit deinem Prinzipal sprechen«, erklärte der kleine Mann. »Bring mich zu ihm!«
»Wenn Sie gekommen sind, sich Haare entfernen zu lassen, brauchen Sie nicht mit dem Chef zu sprechen. Ich kann...«
»Ich habe deinen Prinzipal verlangt, Junge, und mit ihm werde ich sprechen. Es hat mit einem Freund von mir zu tun, verstehst du - er hat mich hergeschickt. Er kann nicht umhergehen, weil er...« - und der Mann hielt inne, um dem Angestellten ein unübersehbares Augenzwinkern zuzuwerfen - »am ganzen Körper Haare bekommen hat, furchtbar dicht, wie ein Fell. Verstehst du? Und keine Dummheiten, Junge, also laß die Luftpistole mit der Beruhigungsspritze, wo sie ist, und bring mich zum Chef!«
Der Angestellte zwinkerte nervös und befeuchtete sich die Lippen. »Ah... gut, ja. Wollen Sie warten, während ich... nein. Äh... würden Sie bitte mitkommen, Sir?« Er klappte eine an Scharnieren befestigte Verlängerung des Ladentisches hoch, so daß der kleine Mann in den rückwärtigen Teil des Salons gehen konnte. »Hier durch, bitte! Nun, Sie werden hier hoffentlich nicht etwas Unbesonnenes tun, nicht wahr?«
»Ich nicht, Junge«, sagte der Mann, offensichtlich überrascht und verletzt durch den bloßen Gedanken. Sie verließen den Salon durch eine rückwärtige Tür, gingen einen halbdunklen Korridor entlang und wurden an seinem Ende von einem Mann aufgehalten, der bei ihrer Annäherung von einem Hocker aufstand. »Was soll das heißen?« fragte er und griff nach einem Glockenzug. »Kunden haben hier keinen Zutritt, Pete, du weißt das.« »Der Mann ist gerade hereingekommen«, sagte Pete hastig, »und sagt...«
»Daß ein Freund von mir am ganzen Körper Haarwuchs entwickelt hat, dicht wie ein Pelz«, unterbrach ihn der kleine Mann. »Und nun bringt mich zu eurem verdammten Prinzipal oder Chef, ja?«
Der Wächter im Korridor warf Pete einen anklagenden Blick zu.
Pete zuckte hilflos die Achseln. »Er... wußte irgendwie davon. Sagte mir, ich solle die Finger davon lassen.«
Nach einer kurzen Denkpause ließ der Wächter den Glockenzug los. »Also gut«, sagte er. »Warten Sie hier, während ich Sie anmelde.« Er öffnete die Tür, neben der er Wache gehalten hatte, trat durch und schloß sie sorgfältig hinter sich, aber der Glockenzug hatte noch nicht aufgehört, hin und
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