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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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halten. Es war ein geringer Trost, daß er bereits ein alter Ka war und nach einigen Jahrzehnten weiteren Verfalls so leicht sein würde, daß die Schwerkraft ohnehin kaum noch Einfluß auf ihn haben und er in der Lage sein würde, sich der verdammten Schuhe zu entledigen. Und geschriebene Zaubersprüche konnten ihn am Leben erhalten, bis sein Gesicht verheilt wäre und er wieder sprechen könnte. Mit etwas Glück sollte es ihm möglich sein, seinen Rückweg zum Jahr 1810 zu durchleben.
    Und, dachte er, wenn endlich 1810 heranrückt, werde ich Brendan Doyle aufsuchen. Und in der Zwischenzeit werde ich dieses Grundstück kaufen, wo das brennende Gasthaus steht, und 1810 werde ich Doyle dorthin führen und ihm seinen eigenen alten, verkohlten Schädel zeigen.
    Ein blubberndes Rasseln, das die gequälte Karikatur eines Lachens gewesen sein mochte, ertönte aus der unteren Hälfte seines zerstörten Gesichts.
    Nach einigen weiteren Schritten verlor er wieder das Gleichgewicht, taumelte gegen eine Wand und begann daran hinunter aufs Pflaster zu rutschen - dann aber hielt ihn ein fester Arm, richtete ihn wieder auf und stützte ihn, als er einen weiteren Schritt tat. Er wandte den Kopf, sein halbwegs brauchbares Auge einen Blick auf seinen Wohltäter tun zu lassen, und irgendwie war er nicht überrascht zu sehen, daß es gar keine Person war, sondern eine unbestimmt menschenähnliche, belebte Kollektion von Holzteilen, die offenbar einmal ein Tisch gewesen war. Dankbar legte Romany einen Arm um das dicke Brett, das dem Ding als Schulter diente, und ohne ein Wort, denn keiner der beiden war der Sprache mächtig, tappten sie die Gasse entlang.

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10. KAPITEL
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»Minerale sind Nahrung für Pflanzen, Pflanzen für Tiere, Tiere für Menschen; Menschen werden auch Nahrung für andere Geschöpfe sein, aber nicht für Götter, denn deren Natur ist der unsrigen weit entrückt; es muß darum für Teufel.«
    GIROLAMO CARDANÖ, »Hyperchen«

    Nach einem so kurzen Fall, daß er kaum Zeit hatte, den Aufprall in den Kniegelenken abzufedern und sich aufrecht zu halten, schlugen Doyles Füße auf einen Tisch. Er war in einem Zelt, und wie ein Mensch, der plötzlich aus einem Alptraum erwacht, allmählich und mit wachsender Erleichterung die vertrauten Einzelheiten seines Schlafzimmers erkennt, erinnerte sich Doyle, wo er diesen mit Papieren bedeckten Arbeitstisch, die Kerzen und Statuen gesehen hatte: er befand sich in Dr. Romanys Zigeunerzelt. Und er war splitternackt, wie er feststellte, als er hinabblickte, um vom Tisch zu springen; Gott sei Dank war es heiß hier. Offensichtlich war er ins Jahr 1810 zurückgekehrt.
    Aber wie konnte das geschehen sein? Er hatte keinen mobilen Haken getragen.
    Er ging zum Zelteingang und zog die Klappe soweit zurück, daß er ein paar skeletthafte Riesengestalten, schwach leuchtend wie das Nachglühen von Licht auf der Netzhaut des Auges, gleichsam in Zeitlupe hinter den brennenden Zelten laufen sah; so rasch, daß er nicht sicher sein konnte, sie überhaupt gesehen zu haben, verblaßten sie zu nichts. Das einzige Geräusch, das neben dem ruhigen Knistern der Feuer hörbar war, waren die unpassenden Klänge fröhlicher Klavier- und Akkordeonmusik vom Nordende des Lagers.
    Er ließ die Zeltklappe zufallen, dann suchte er in der Unordnung herum, bis er eine Art Talar mit Gürtel und Sandalen mit erhöhten Sohlen fand, ferner ein sauberes Halstuch, das er um seinen noch blutenden Fuß knotete, und einen Degen in lederner Scheide. Nachdem er sich mit diesen Dingen ausstaffiert hatte, verließ er das Zelt.
    Schritte näherten sich von links. Er zog den Degen und sah sich im nächsten Augenblick dem alten Zigeuner Hundsfott Richard gegenüber, der ihn verblüfft angaffte, dann zurücksprang und einen Dolch aus seiner Leibbinde riß.
    Doyle ließ die Degenspitze sinken. »Du bist nicht in Gefahr von mir, Richard«, sagte er. »Ich schulde dir mein Leben... und mehrere Gläser Bier. Wie geht es deinem Affen?«
    Der Zigeuner machte runde Augen. Nach einigen Augenblicken unschlüssigen Zögerns, ließ er die dolchbewehrte Hand sinken. »Wieso... sehr kuschto, danke. Und dank der Nachfrage«, sagte er unsicher. »Ah... wo ist Dr. Romany?«
    Die Musik von der Nordseite des Lagers wurde langsamer und nahm einen melancholischen Ton an. »Er ist fort«, sagte Doyle. »Ich glaube nicht, daß ihr ihn wiedersehen werdet.«
    Richard nickte, versuchte die Neuigkeit zu verdauen, steckte endlich den Dolch weg, zog

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