Die Tore zu Anubis Reich
Die Situation war Maturo offensichtlich unangenehm, und er blickte immer wieder besorgt und argwöhnisch zum Opfer der Hinrichtung auf.
»Ich brauche keine Gebete«, sagte Joe. »Meine Seele ist in guten Händen.« Seine zuversichtlichen Worte mußten jedoch ein Bluff gewesen sein, denn auf einmal stieß er ein verzweifeltes Winseln aus und schrie: »Augenblick! Wartet, Leute! Ich bin D.«
Die Seilschlinge erstickte, was er noch sagen wollte, denn Maturo hatte das Faß unter ihm mit einem so kräftigen Tritt weggestoßen, daß es ein gutes Stück über das schneebedeckte Pflaster rollte, während der alte Mann am Ende des plötzlich straffen Seils baumelte und seine Augen flehentlich aus dem dunkel anlaufenden Gesicht stierten und sein Mund Worte formte, die auszusprechen ihm der Atem fehlte.
Maturo, der nun, da die Tat getan war, seine Besorgnis vergessen zu haben schien, wartete mit einem leichten Lächeln um den Mund, bis das grausige Pendel sich langsam herumgedreht hatte und der Gruppe seiner Henker den Rücken zukehrte und dem Hof mit dem noch rollenden Faß und dem Abendhimmel zugewandt war, dann sprang er dem baumelnden Mann auf den Rücken, als wollte er Huckepack reiten.
Das Knacken des brechenden Genicks klang laut durch die frostige Stille, und John Carroll wandte sich ab und erbrach sich in den Schnee.
Doug Maturo betrat das schmutzige Bürohaus, über dessen Ladeneingang immer noch undeutlich die übermalten Buchstaben HAARENTFERNUNGS-SALON zu sehen waren, schloß die Tür hinter sich und ging durch die schrägen Balken grauen Lichts, das zwischen den heruntergelassenen Rolläden eindrang, vorbei an dem staubigen Ladentisch und zu dem dunklen Korridor und der Treppe. Als er sie halb erstiegen hatte, hörte er Stimmen von oben und ging sehr leise die restlichen Stufen hinauf.
»... in der Jermyn Street nahe dem St. James Square«, sagte Dundee. »Die Miete dort ist exorbitant, aber wie du kürzlich bemerktest, brauche ich wirklich eine bessere Adresse.«
»Wahrhaftig, die brauchst du, Jake«, erwiderte die Altstimme einer jungen Frau. »Und mir gefällt die Vorstellung, daß du dich wegen der Höhe der Miete sorgst! Wieviel, sagtest du, nimmst du jeden Tag ein?«
»Zur Zeit durchschnittlich neunhundert Pfund, aber es ist eine aufwärts gerichtete Progression - je mehr ich habe, desto mehr kriege ich. Bis Ende 1811 werde ich es nicht mehr ausrechnen können - die Zeit, die ich brauchen würde, all die Berechnungen auszuführen, würde die Zahlen hoffnungslos obsolet machen, noch ehe ich sie hätte.«
»Was für einen Zauberer ich heirate!« rief das Mädchen, und man hörte der Stimme an, daß sie lächelte. Es folgte einiges Gurren und Kichern, dann fügte sie schmollend hinzu: »Aber nicht sehr zärtlich.«
Dundees Lachen klang, so schien es jedenfalls dem Mann, der im dunklen Korridor grinste, gezwungen, und es war keine Überzeugung in seiner Stimme, als er sagte: »Davon wird es genug geben, wenn wir verheiratet sind, Claire. Wir würden - das Vertrauen mißbrauchen, das dein Vater in uns setzt, wenn wir uns jetzt und hier gehen ließen.«
Der Mann im Korridor kehrte lautlos zur Treppe zurück, trapste einige Male mit zunehmender Stärke auf der obersten Stufe, dann polterte er zu Dundees Tür und klopfte an.
»Hm... ja?« sagte Dundee. »Wer ist da?« Der Mann öffnete und ging hinein, nickte Dundee zu und schenkte dem schlanken blonden Mädchen ein breites Lächeln. »Es ist Sizzlin' Stan, der unsterbliche Mann«, sagte er munter.
Dundee starrte den großen, stämmigen Eindringling mißmutig an. Er hatte dieses rote Gesicht mit den harten Augen und dem drahtigen grauen Haar noch nie gesehen, aber er wußte, wer es war.
»Ach - hallo«, sagte er. »Ich sehe, es ist alles... gut gegangen.«
»Jawohl, kein Problem - übrigens bin ich auf dem Weg hierher gelaufen und gesprungen und habe gefunden, daß dieser hier seine Vorzüge hat. Ich glaube, ich werde ihn eine Weile behalten, wenn Ihre Haarentfernungsmittel es gestatten. Und wer ist dieses liebliche Geschöpf?« Er machte eine theatralische Verneigung.
»Ah, Joe«, sagte Dundee und stand auf, »das ist Claire Peabody, meine Verlobte. Claire, dies ist Joe, ein Geschäftsfreund.«
Joe zeigte gleichmäßige weiße Zähne. »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Claire.«
Claire runzelte unbehaglich die Stirn, nicht erfreut über die ungeteilte Aufmerksamkeit, die dieser Mann ihr schenkte. »Sehr erfreut, Joe«, sagte sie.
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