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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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war sie auch noch ganz. Doyles Schrei: »Gottsverdammich, über die Wand, Pferd!« ging im Tumult unter, doch sprang das Pferd vorwärts, setzte über die aufgehäuften Körper gefallener Pferde und Männer, die unter den unaufhörlichen Kugeleinschlägen zuckten. Ein verlangsamter Querschläger versetzte Doyle einen harten Schlag über das linke Ohr, und während er im Sattel schwankte, trafen ihn drei Kugeln beinahe gleichzeitig: eine streifte seinen rechten Oberarm, eine pflügte eine lange Furche durch seinen linken Oberschenkel, und die dritte zog eine brennende Bahn über seinen Bauch, was ihm half, im Sattel zu bleiben, weil er sich instinktiv vorwärts über den Pferdehals krümmte -, und dann erkletterte das intelligente Tier den höchsten Leichenhaufen dort, wo die Kolonnenspitze gewesen war, und setzte in einem machtvollen Sprung hinauf zur Mauerkrone, die noch immer unbarmherzige acht Schuh über ihnen war.
    Doyle fühlte die Schnellkraft ihres Sprunges, und durch von Rauch tränende Augen sah er die Mauerkrone herankommen, dann konnte er im schwerelosen Augenblick des Scheitelpunkts hinübersehen. In einem Augenblick, das wußte er, würde die Schwerkraft sie in das vernichtende Kreuzfeuer zurückfallen lassen - aber das Pferd brachte die Vorderhufe beweglich wie eine Katze auf den Mauerrand, zog die Hinterhand nach, und einen Augenblick später fielen sie wirklich, aber außerhalb der Mauer.
    Das Pferd fiel mit dem Kopf voran, und Doyle rutschte rückwärts über die Kruppe, nachdem er einen flüchtigen Blick in einen Wassergraben fünfzehn Klafter unter ihnen getan hatte, und dann sauste er hifllos zappelnd und entsetzt die Augen rollend in die Tiefe, als der Graben ihm mit erschreckender Schnelligkeit entgegenraste.
    Die Dauer des Sturzes war eine Tortur, und zweimal entleerte Doyle unterwegs die Lungen und holte von neuem Atem, obwohl der dann folgende Aufprall sowieso alle Luft aus ihm herausschlug und seine Hände und Knie gegen die schlammigen Steine am Grund des Grabens schlagen ließ. Als er abprallte, kamen die Füße wieder unter ihn, und er begann mechanisch zu rudern und zu stoßen, bis er inmitten träge durch das grünliche Wasser aufsteigender Blasen die Oberfläche erreichte und matt auf die steile Außenböschung zuschwamm, wo ein Mann, den er offensichtlich beim Urinieren in den Wassergraben gestört hatte, ihn entgeistert angaffte, dann seine Gewänder ordnete und entfloh.
    »Verdammter Schmutzfink!« schnaufte Doyle ihm nach.
    Sobald der flüchtige Schuhflicker seinen zitternden und blutenden Leib aus dem Wassergraben gezogen hatte, legte er Amins Gewänder und Waffen ab und warf sie - bis auf den Säbel, den er in den entrollten Turban wickelte und behielt - in alle Richtungen, zuversichtlich, daß die Straßenbettler sich ihrer bald bemächtigen würden. In der Nähe fand er einen Flecken sonnengebackenen, pulvrigen Staubes und wälzte sich, nackt bis auf seinen Lendenschurz, darin, bis er trocken war, wenn auch bei weitem nicht sauber. Der umwickelte Säbel würde, so hoffte er, als Krücke durchgehen, geerbt von einem leidenden Vorfahren.
    »Melbus!« riefen ein paar Händler, die, vor ihren armseligen Läden sitzend, die ganze Vorstellung beobachtet hatten, und bis Doyle sich erinnerte, daß das Wort »in Göttlichkeit gehüllt« bedeutete, meinte er, sie wüßten irgendwie den Namen des Pferdes, das gleich ihm aus dem Wassergraben geklettert war und nun begierig von mehreren ragharin, den ägyptischen Zigeunern, beäugt wurde.
    »Ja, nehmt es«, krächzte Doyle. »Avo, chals!«
    Trotz der Hitze fröstelte er, als er über die Straße und eine schmale Seitengasse entlangeilte, abwechselnd durch Helligkeit und Schatten, während er unter den über die Gasse gespannten Tüchern vorbeilief. Erst nachdem er sich in den Winkel eines Hauseingangs niedergekauert und das Gesicht mit den Händen bedeckt hatte, wurde ihm klar, daß er weinte, seit er aus dem Graben gekrochen war. Er hob den Kopf und versuchte sich zu fassen.
    Wie vielfache Doppelbelichtungen über die lohfarbene Straßenszene der schmalen Gasse gelegt, waren Bilder der Augenblicke in der Straße vor dem Bab-el-Azab, die jetzt seine Aufmerksamkeit verlangten. Zum ersten Mal sah er jetzt - vorher hatte sein Gehirn die Bilder nur mechanisch aufgenommen und gespeichert - das Sprühen von Blut und Staub und Stoffteilchen von den Körpern eines Pferdes und seines Reiters, die heftig unter den Einschlägen des Kreuzfeuers

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