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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Bettler!« Damit rief er ihnen in Erinnerung, daß ein Bettler nicht nur kein waffenfähiger Gegner war, sondern in der moslemischen Weltsicht ein Vertreter Allahs, der die Aufgabe hatte, die Almosen zu verlangen, welche jeder wahre Gläubige zu geben verpflichtet war.

    Die Straße machte eine Biegung nach links, und jenseits der im Schatten liegenden Fassade eines Hauses konnte Doyle, noch eine Meile entfernt, die Minarette und Mauerbastionen der Zitadelle erkennen, die auf dem steilen Dschebel Mokattam hoch in den Himmel ragte, und obgleich der Anlaß, der die Mamelucken zur Festung führte, dem Namen nach ein rein gesellschaftlicher war - die Ernennung von Mohammed Alis Sohn zum Pascha- lik -, fühlte Doyle sich angesichts der abweisenden Mauerfronten erleichtert, daß er und seine Gefährten so gut bewaffnet waren.
    Amin hatte ihm erst diesen Morgen versichert, daß die Massenverhaftung, mit der er rechnete und der er entgehen wollte, nicht anläßlich dieses Banketts stattfinden würde. »Sorge dich nicht, Eshvlis«, hatte er Doyle gesagt, als er die Gurte an seinem Gepäck festgezogen und aus dem Fenster zu den mit Traglasten hochbeladenen Dromedaren gespäht hatte. »Ali ist kein Wahnsinniger. Obwohl er die unverhältnismäßige Macht der Mamelucken beschneiden wird - und das bald, glaube ich -, würde er niemals den Versuch wagen, alle vierhundertachtzig Beys auf einmal festnehmen zu lassen, und dies um so weniger, als sie alle bewaffnet sind. Ich glaube, der wahre Zweck dieser festlichen Tafel ist der, daß er seine Gegner zählen und sichergehen möchte, daß sie alle in der Stadt sind, so daß er sie irgendwann in der kommenden Nacht, ehe es Tag wird, unter der einen oder anderen Anklage aus den Betten zerren lassen kann, wenn sie wehrlos und schlaftrunken sind. Nicht, daß wir eine solche Behandlung nicht verdient hätten, wie du mit deiner Schußverletzung, wenn du nicht so höflich wärst, als erster zugeben müßtest. Aber ich breche noch diesen Nachmittag nach Syrien auf, und du wirst gleich nach der Tafel deine Identität als Eshvlis wieder annehmen, und so werden wir zwei dem Netz entgehen.«
    Wie Amin die Lage geschildert hatte, konnte wirklich nichts passieren... Und Doyle verdankte ihm sein Leben, denn Amin war es gewesen, der den blutenden Bettler hatte aufheben und zum Moristan von Ka'alun bringen lassen, wo er ärztlich behandelt worden war, und der ihm zwei Monate später einen guten Start im Schuhflickerhandwerk verschafft hatte, indem er verlangte, daß Hassan ihm hundert Goldstücke für die Reparatur der zerbrochenen Schuhschnalle zahlte. Der zerrissene Umhang war nie wieder erwähnt worden, und Hassan betrachtete ihn wahrscheinlich als bezahlt - durch die zwei Löcher, Einschuß und Ausschuß, in der Haut des Schuhflickers.
    Doyle fragte sich stirnrunzelnd, warum keine dieser Begebenheiten auch nur andeutungsweise in Baileys Ashbless-Biographie erwähnt worden war. Schließlich waren sie genau von der Art, die eine Dichterbiographie interessant machen konnten: eine kurze Karriere als Bettler, angeschossen von einem Mameluckenbey, von einem anderen gerettet, in Verkleidung als Kriegsherr und Würdenträger Teilnehmer an einer königlichen Festtafel - dann lächelte er, denn natürlich konnte er Bailey nichts davon erzählen, weil Doyle eines Tages die Biographie lesen würde. Und wärest du, fragte er sich, auch nur in die Nähe dieses Platzes gegangen, wenn du gewußt hättest, daß du an diesem Tag niedergeschossen würdest?
    Nun, wenigstens wußte er, daß Ashbless Ägypten an Bord des Seglers Fowler am nächsten Morgen mit Kurs auf England verlassen würde; selbst wenn er also nicht dazu gekommen war, das Kairo des Jahres 1811 zu erforschen, konnte es nicht allzu viele weitere Überraschungen geben, von denen er Bailey nichts sagen würde. So rechnete er beispielsweise nicht damit, von Romanelli wieder eingefangen zu werden, obwohl dieser es inzwischen zum Leibarzt Mohammed Alis gebracht haben sollte. Mit dem schwarzgefärbten Haar, der tiefen Bräune und all den neuen Runzeln und Linien im Gesicht, die das Vermächtnis einer langen Genesung ohne Anästhesie waren, würde ihn ohnehin kaum jemand wiedererkennen. Und dieser Körper hatte immerhin noch beide Ohren.

    Auf dem Exerzierplatz vor der Zitadelle schlossen sich die Bahriten-Beys den Reihen der Mamelucken an, und fünfzehn heiße Minuten lang, in denen Eshvlis in die erschreckend teuren geborgten Kleider schwitzte und Amins

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