Die Tore zu Anubis Reich
verbringen. Und bedaure, Becca - Gott weiß, du hättest es nicht so gewollt.
Sehr viel gemächlicher als zuvor der Türsteher zog Ashbless ein Stück des Seils ein. Als er es mit einer Hand zu verknoten suchte, fand sein Blick wieder das Gesicht des Meisters, und das Lächeln darin war nicht nur triumphierend, geringschätzig und selbstzufrieden, sondern auch schwachsinnig.
Dieser Ausdruck von Idiotie in dem vermeintlich allwissenden Meister war wie ein Guß kalten Wassers auf eine fiebrige Stirn. Mein Gott, dachte Doyle, wollte ich Rebecca wirklich mit dem Tod der Elizabeth Tichy zurückkaufen, die ich nicht einmal kenne? »Nein«, sagte er ruhig. Er ließ das Seil los, und es spannte sich mit einem Schwirren und einem Ruck, der die Schultern des Meisters offenbar schmerzhaft traf.
»Sie werden Rebecca das Leben retten, Doyle«, krächzte der Meister mit verzerrtem Gesicht. »Und denken Sie an Ihre eigene geistige Gesundheit - Sie wissen selbst, daß Sie verrückt werden, und die Einrichtungen für die Geisteskranken sind hier nicht sehr komfortabel, wie Sie sich erinnern werden.«
Ashbless wandte sich zur Seite, hob den Säbel auf und holte wie ein Holzhacker mit beiden Händen über dem Kopf zu einem Schlag aus, der nicht nur das gespannte Seil kappte, sondern auch die Klinge zerspringen ließ.
Der Meister schrie auf, als er rückwärts fortgerissen wurde, wie wenn er auf der Ladefläche eines unsichtbaren Lastwagens läge, der versuchte, den Beschleunigungsrekord zu schlagen. Dann war er draußen jenseits der Dachkante und beschleunigte weiter, sauste in der Höhe der Palmen über die Erde hin. Sein Schattenriß zeichnete sich vor dem Mond deutlich ab, und Ashbless konnte ihn selbst in der tiefen Dämmerung gut beobachten.
»Viel Vergnügen im stinkenden Irrenhaus, Doyle!« brüllte eine Stimme aus der Tiefe zu Ashbless' Füßen. »Exkremente fressen und von schwulen Wächtern vergewaltigt werden, das ist, was dich erwartet, Junge! Es ist wahr, Romanelli ist vorausgesprungen und hat nachgesehen! Und paß auf, wir haben Rebecca bereits gerettet, Romanelli hat sie, aber nun, da sie für den Tauschhandel nicht taugt, werde ich dir sagen, worauf sie sich freuen kann.«
Während die Stimme weiterfaselte, wurde Ashbless klar, daß sie dem Meister gehörte, der durch den einen Wachsmann sprach, der noch einen Kopf hatte. Der Meister selbst war nur noch ein Punkt im Angesicht des Mondes und schrumpfte immer weiter. Nach einer oder zwei Minuten brach die Stimme aus der Tiefe, die sich noch immer über die perversen Schändungen verbreitete, die Rebecca erwarteten, und darüber, wie sehr sie schließlich noch Gefallen daran finden würde, plötzlich ab und verstummte ganz. Entweder war der wächserne Artikulationsapparat zusammengebrochen, oder der Meister war außer Reichweite.
Ashbless stieg durch das Loch in der Wand zurück und wankte die Treppe hinunter. Als er die Eingangshalle erreichte, sah er jemanden aus einer dunklen Türöffnung zur Rechten kommen und dann, als er seine Annäherung hörte, schnell wieder darin verschwinden. Aber Ashbless sah nicht einmal hin, als er vorbeiging. Er trat ins Freie und sah sich um. Die Pferde hatten das gleiche Schicksal des Zerfalls und der Auflösung erlitten, das Mustafas Söhne betroffen hatte, und so machte Ashbless sich barfuß auf, die fünfeinhalb Meilen zum Hafen von Bulak zu wandern. Sein Boot sollte erst am frühen Morgen ablegen, so machte es nichts, daß er sehr langsam ging und alle paar Schritte haltmachte, um angstvoll zum emporsteigenden Vollmond aufzublicken.
Ein paar Minuten nachdem Ashbless' hinkende Gestalt außer Sicht gekommen war, spähte ein wildblickendes, schmutziges, bärtiges Gesicht aus dem Eingang über die dunkelnde Friedhofsebene.
»Sehen Sie, was Sie getan haben, Darrow?« murmelte der Mann. »Vollkommen ungefährlich, sagten Sie! Ich erinnere mich, daß Sie es sagten - ›Es ist vollkommen sicher, Doyle.‹ Zum Henker. Sie hätten genausogut Treff mitkommen lassen können. Er hätte den Karren nicht tiefer in den Dreck fahren können. Ich muß zurück zum Fluß, sehen, ob ich nicht wieder dahin schwimmen kann, wo alles in Ordnung war.«
Und der Ashbless-Ka ging auf Zehenspitzen hinaus in die Abendluft und blickte unsicher umher, denn er konnte sich nicht genau erinnern, wo der Fluß war, und wie er sich nannte, obwohl er wußte, daß er allerlei Äste darauf gesehen hatte. Dann fiel ihm ein, daß man überall zum Fluß kommen konnte,
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