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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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herum, so daß er auf den Boden starrte; und gleich darauf hörte er den alten Zigeuner schreien: »Hilfe! Feuer!« Dann landete Dr. Romanys Faust hinter Doyles linkem Ohr und stieß ihn abermals in Bewußtlosigkeit.

    Ein paar Zelte brannten, und es verdroß Doyle, daß er seine Augen nicht auf einen Gegenstand oder einen bestimmten Ausschnitt des Geschehens konzentrieren konnte; er wollte die Sorgen wegen des wollig schmeckenden Knebels, den sie ihm in den Mund gestopft hatten, und der Stricke, die seine Handgelenke gegen die Hüften preßten, in den Hintergrund drängen, und diese Brände schienen eine erstklassige Ablenkung zu sein, wenn er sie nur sehen könnte. Vage erinnerte er sich, daß der beängstigende Kahlkopf ihn an den Fuß dieses Baumes gesetzt hatte, den Rücken am Stamm, und daß er sich noch die Mühe gemacht hatte, Doyle den Puls zu fühlen und ihm die Augenlider hochzuziehen, um aufmerksam in jedes Auge zu spähen, ehe er dorthin zurückgeeilt war, wo die Flammen loderten und die Zigeuner durcheinanderschrien. Das war es, was ihn geweckt hatte - der Schmerz, den der schwielige Daumen des Mannes an seinem angesengten Augenlid erzeugt hatte.
    Er legte den Kopf in den Nacken und sah zu seinem Erschrecken zwei Monde am Himmel stehen. Sein Gehirn arbeitete wie ein Wagen, der dringend einer Motorüberholung bedarf, doch kam er rasch zu dem Schluß, daß er doppelt sehen müsse, und daß darum nur ein Zelt in Flammen stehe. Mit einer Willensanstrengung gelang es ihm, die zwei Monde zur Deckung zu bringen, dann wandte er den Blick wieder zum Lager und sah ein Feuer. Ein kühler Luftzug schien durch die stickige Hitze seines Gehirns zu wehen, und plötzlich war er sich der Dinge ringsum bewußt - des Grases und der Erde unter sich, der rauhen Borke des Baumstammes an seinem Rücken und der schmerzhaften Beengung durch die Stricke.
    Eine Woge von Übelkeit beförderte unversehens Darrows delikate Imbißhappen wieder hinauf in die Kehle, und es kostete Doyle eine gewaltige Anstrengung, den Reflex zu überwinden und sie wieder hinunterzuschlucken. Die Nachtbrise war kalt auf dem Schweiß, der plötzlich sein Gesicht und die Hände bedeckte, und er zwang sich, nicht darüber nachzudenken, was geschehen wäre, wenn er während seiner Bewußtlosigkeit und mit dem Knebel im Mund erbrochen hätte. Er machte sich an die Arbeit, den Knebel zu lockern, bewegte ihn mit der Zunge vorwärts, drückte ihn zusammen und hielt ihn zwischen den Zähnen, so daß die Zunge sich zurückbiegen und wieder stoßen konnte. Endlich hatte er ihn unter der Lederschlinge, die ihn festgehalten hatte, aus dem Mund gezwungen, und er schüttelte den Kopf, bis der Knebel ins Gras fiel. Tief atmete er dann durch den offenen Mund und versuchte seine Gedanken zu sammeln. Er konnte sich nicht erinnern, was dazu geführt hatte, daß man ihn hier draußen abgelegt hatte, das Feuer zu betrachten, aber er erinnerte sich der Zigarre des alten Mannes, und einer gewaltigen Ohrfeige. Ohne zu überlegen, stieß er sich vom Baumstamm ab, fiel flach ins Gras und begann sich davonzuwälzen.
    Bald wurde ihm schwindlig, und er verlor die neu gewonnene Klarheit des Denkens, wälzte sich aber weiter durch das dunkle, taufeuchte Gras. Zweimal mußte er innehalten und erbrechen, und er war heilfroh, daß es ihm gelungen war, sich des Knebels zu entledigen. Nach einer Weile hatte er völlig vergessen, warum er diese sonderbare Art der Fortbewegung gewählt hatte, und er stellte sich vor, er sei ein Bleistift, der auf eine Tischkante zurolle, oder eine angezündete Zigarre, die von der Lehne eines Sessels rollte - aber an Zigarren wollte er nicht denken.
    Auf einmal rollte er mitten in der Luft und hatte kaum noch Zeit, sich instinktiv anzuspannen, als er schon in eiskaltes, rasch strömendes Wasser klatschte. Er kam wieder an die Oberfläche, doch seine vom Kälteschock wie gelähmten Lungen konnten keine Luft einatmen, und dann war er wieder unter Wasser. Vergeblich spannten sich die Muskeln seiner Arme und Beine gegen die Fesseln, und er dachte, daß dies das Ende für ihn sei. Dennoch zappelte er weiter, und als er das nächste Mal mit dem Kopf aus dem Wasser kam, holte er tief Atem.
    Nachdem er seine anfängliche Panik unter Kontrolle gebracht hatte, entdeckte er, daß es nicht allzu schwierig war, sich mit den Füßen voran auf dem Rücken treiben zu lassen und jede halbe Minute oder so Kopf und Schultern aus dem Wasser zu schnellen, um Atem zu holen.

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