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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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gegenüberliegenden Ecke, und als er mit eingezogenen Schultern und gesenktem Kopf weiterging, konnte er das Schnarchen hinter den Brettern hören, mit denen die unverglasten Fenster von Mutter Dowlings Pension vernagelt waren. Er rümpfte die Nase über die Schläfer, die, wie er aus Erfahrung wußte, jeweils drei Pennies bezahlt hatten, um ein Bett mit zwei oder drei anderen Leuten und ein Zimmer mit einem Dutzend zu teilen. Wie konnte man nur gutes Geld bezahlen, um sich wie Salzheringe in einem Faß aufeinanderpacken zu lassen, dachte er, selbstgefällig in dem Wissen, daß er andere Pläne hatte.
    Gleich darauf fragte er sich allerdings mit Unbehagen, welche Art von Schlafgelegenheit Horrabin ihm zur Verfügung stellen mochte. Dieser Clown konnte einem Angst einjagen; vielleicht ließ er alle in Särgen schlafen, oder was. Die Vorstellung ließ Fair- child verhalten und sich bekreuzigen. Dann fiel ihm ein, daß es spät wurde, und was er vorhatte, mußte bald geschehen. Bei Horrabin ist es wenigstens kostenlos, dachte er und ging weiter. Jedermann ist bei Horrabin willkommen.
    Das unterirdische Parlament mußte sich inzwischen vertagt haben, also folgte er, statt rechts zur Bainbridge Street abzubiegen, der Mauer, die seine linke Schulter streifte, um die Ecke nach Norden, wo am anderen Ende der Ivy Lane ein dunkles Gebäude stand, das einem Lagerhaus ähnelte und in der Nachbarschaft als das »Horrabin-Hotel« oder die »Rattenburg« bekannt war.
    Nun sorgte er sich, daß sie ihn nicht aufnehmen könnten. Schließlich war er nicht sehr klug. Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er wenigstens ein guter Bettler sei, und darauf kam es hier an. Auch kam ihm in den Sinn, daß Horrabin interessiert sein mochte, zu erfahren, daß Kopenhagen-Jacks neuester Taubstummer ein Schwindler war und durch eine List zum Sprechen gebracht werden konnte.
    Ja, beschloß Fairchild, ich muß dem Clown davon erzählen und mich so gut bei ihm einführen.

    Jacky stand eine Weile neben dem Fenster, das Doyle geschlossen hatte, blickte über die undeutlichen Dächer hinaus, die da und dort vom rauchigen roten Schein einer Laterne oder dem bernsteinfarbenen Rechteck eines Fensters in ihren Umrissen erhellt wurden. Ich frage mich, was er in diesem Augenblick tut, dachte Jacky, welchen finsteren Hof er auf leisen Sohlen durchschreitet, in welcher Fuselhöhle er irgendeinem nichtsahnenden armen Teufel ein Glas spendiert. Oder schläft er dort draußen in irgendeiner Bodenkammer... und was für Träume könnte er haben? Ob er auch sie stiehlt?
    Jacky wandte sich vom Fenster und setzte sich an den Tisch, wo Papier, Federkiel und Tinte warteten. Schmale Finger hoben den Federkiel auf, tauchten ihn in die Tinte und begannen nach einigem Zögern zu schreiben:

2. September 1810
    Meine liebe Mutter -
    zwar bin ich noch immer nicht in der Lage, Dir eine Adresse zu nennen, unter der ich erreicht werden kann, doch versichere ich Dir, daß ich wohlauf bin, genug zu essen bekomme und mit einem Dach über dem Kopf schlafe. Ich weiß, Du betrachtest es als eine gefährliche und unnatürliche Verrücktheit, aber ich mache einige Fortschritte bei der Suche nach dem Mann - wenn er ein Mensch genannt werden kann -, der Colin tötete; und obgleich Du mir wiederholt gesagt hast, daß es eine Aufgabe der Polizei sei, bitte ich Dich erneut, mein Wort dafür zu nehmen, daß die Polizei nicht ausgestattet ist, mit dieser Art von Täter fertigzuwerden oder dessen Existenz auch nur anzuerkennen. Ich habe die Absicht, ihn mit dem Minimum von Risiko für mich selbst zu töten, sobald es durchführbar erscheint, und dann nach Hause zurückzukehren, wo ich noch immer ein Willkommen vorzufinden hoffe. Einstweilen befinde ich mich bei Freunden und bin in weit geringerer Gefahr als Du Dir wahrscheinlich ausmalst; und wenn Du willst, bewahre ich trotz meines gegenwärtigen, sehr bedauerlichen Ungehorsams gegen Deine Wünsche die Wärme und Liebe, mit der Du mich in der Vergangenheit so reich beschenkt hast. Damit wirst Du Dir zu tiefem Dank verpflichten Deine liebevolle und zärtliche Tochter
    Elizabeth Jacqueline Tichy

    Jacky wedelte den Brief in der Luft, bis die Tinte trocken war, dann faltete sie ihn, schrieb die Anschrift aufs Kuvert und versiegelte es mit aufgetropftem Kerzenwachs. Darauf sperrte sie die Tür ab, entledigte sich ihrer schlotternden Kleider und zog sich den angeklebten Schnurrbart ab, bevor sie das Klappbett von der Wand herunterließ. Sie kratzte

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