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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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sich energisch die Oberlippe und heftete den gummierten Stoffstreifen mit dem Haar an die Wand.

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5. KAPITEL
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Die meisten Menschen zerbrechen die Eierschalen, nachdem sie das Innere gegessen haben. Dies wurde ursprünglich getan, um zu verhindern, daß sie von Hexen als Boote verwendet wurden.
    FRANCIS GROSE

    Am Samstagabend zeigte Covent Garden einen gänzlich anderen Charakter als am Morgen - es war annähernd so belebt und ganz gewiß nicht weniger geräuschvoll, aber wo zwölf Stunden zuvor die Karren fliegender Händler die Gehsteigränder gesäumt hatten, rollten jetzt die feinsten Kutschen und offenen Landauer, gezogen von Pferden, die in Farbe und Größe sorgfältig aufeinander abgestimmt waren; es war die Stunde, da die Aristokratie des West End von ihren herrschaftlichen Häusern in der Jermyn Street und St. James zum Theaterbesuch kamen. Das Straßenpflaster wurde jetzt alle paar Minuten mit größtem Eifer von zerlumpten Straßenkehrern gefegt, von denen jeder eifersüchtig über seinen schwer erworbenen Pflasterabschnitt wachte, und oft liefen sie mit ihrem Besen eilfertig vor zu Fuß eingetroffenen Damen und Herren her, von denen ein Trinkgeld zu erwarten war; und das dorische Säulenportal des Covent Garden-Theaters, erst letztes Jahr neu errichtet, nachdem des 1808 bis auf die Grundmauern abgebrannt war, brachte seine prachtvolle Architektur im Lampenschein und dem warmen Strahlen der kristallenen Kronleuchter im Foyer bei weitem besser zur Geltung als in der harten Helligkeit des Sonnenlichts. Die Straßenkehrer bemühten sich wenigstens, für die Pennies und Shillinge, die sie erhielten, eine Dienstleistung zu erbringen, aber es fehlte auch nicht an Leuten, die einfach bettelten. Einer der Erfolgreichsten war eine tuberkulöse Elendsgestalt, die auf dem Platz umherschlurfte, niemals um Almosen bat, aber hoffnungslos an einem schmutzverklebten Stück alten Brotes nagte, wann immer er sich beobachtet glaubte. Und wenn eine vom Mitleid gerührte Dame ihren Begleiter dazu brachte, den Unglücklichen zu fragen, was ihm fehle, berührte der verwahrloste Mensch mit den eingesunkenen Augen nur Mund und Ohren und gab damit zu verstehen, daß er weder hören noch sprechen konnte, worauf er seine Aufmerksamkeit wieder dem schmutzverkrusteten Stück Brot zuwandte. Sein Los schien um so trauriger, als es nicht hervorgekehrt oder erläutert wurde, und er sammelte so viele Münzen - einschließlich einer Anzahl Fünf- Shilling-Crowns und eines beispiellosen Goldsovereigns -, daß er alle zehn oder zwanzig Minuten gehen und seine Taschen in Markos Beutel leeren mußte.
    »Ah, der Stumme Tom«, sagte Marko, als Doyle sich wieder in die Durchfahrt schleppte, wo er wartete. Er hielt seinen Sack auf, und Doyle grub mehrere Handvoll Hartgeld aus den Taschen und warf sie hinein. »Du machst dich großartig, Junge. Nun paß auf, ich gehe hinüber zur Malk Alley bei der Bedford Street, wo du mich die nächste halbe Stunde finden wirst. Verstanden?«
    Doyle nickte.
    »Mach deine Sache weiter so gut. Und huste manchmal. Du hast ein fabelhaftes Husten.«
    Doyle nickte wieder, zwinkerte ihm zu und schlurfte hinaus auf die Straße.
    Dies war sein sechster Tag als Bettler, und er war noch immer überrascht, wie gut er sich in der Rolle zurechtfand und wie angenehm dieses Leben war. Er versöhnte sich sogar mit der Vorstellung, vor Morgengrauen aufzustehen und tagtäglich ein Dutzend Meilen zu gehen, indem er beide Seiten des Flusses westlich der London Bridge abklapperte, denn der Appetit, den er bei dieser Arbeit bekam, wurde durch die Abendmahlzeiten in Kopenhagen-Jacks Haus in der Pye Street auf das reichlichste gestillt, und der Käpt'n hatte nichts dagegen, daß seine Bettler während ihrer Arbeitszeit gelegentlich eine Schenke betraten und einen Schoppen tranken oder auf wenig begangenen Brücken oder am Ufer bei der Blackfriars Bridge zwischen den Kohlenbarken ein kurzes Nickerchen hielten.
    Das Make-up um seine Augen verursachte allerdings einen Hautausschlag. Es war Jackys Idee gewesen, Doyles bereits blasse Gesichtsfarbe durch ein weißes Tuch um den Kopf, wie man es zur Linderung von Zahnschmerzen umband, und einen zerlöcherten roten Schal um den Hals noch bleicher und ausgezehrter erscheinen zu lassen. Damit nicht genug, hatte er eine rosa Schminkfarbe um seine Augen in die Haut gerieben. »Damit siehst du noch hinfälliger aus«, hatte er erläuternd gesagt, »und sollte Horrabin dich zu Gesicht

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