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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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»Solange sie allein ist.« Und darauf folgte ein Geräusch wie von langen, steif gestärkten Röcken, die über den Boden streifend auf sie zukamen.
    Jacky unterdrückte einen Schrei und rannte in die Richtung, wo sie zuvor den Durchgang zum Abzugskanal gesehen hatte. Nach zehn Schritten prallte sie gegen eine Ziegelmauer, und obwohl Schulter und Knie zuerst mit ihr in Berührung kamen, schlug sie auch noch mit dem Kopf dagegen, fiel zu Boden und blieb halb betäubt sitzen. Der Schädel dröhnte ihr. Irgendwie hatte sie die Richtung falsch eingeschätzt, aber sie war nach links oder nach rechts abgewichen? Hatte sie eine halbe oder eine ganze Wendung beschrieben, als sie von der Wand abgeprallt war? Und war die Wand einen oder zwei Schritte vor ihr, oder hinter ihr, oder auf einer Seite?
    Plötzlich tastete etwas nach ihrem Auge, und mit einem wilden Aufschluchzen sprang Jacky mit vorgestrecktem Dolch auf und fühlte die Spitze in eine ballonartige Elastizität schlitzen, die aufplatzte und ihre Hand und den Arm mit kalter Flüssigkeit übergoß; darauf folgte ein schrilles, wisperndes Schreien, und die feuchte Luft vibrierte von einem Surren, als ob irgendwo in der Dunkelheit ein riesiges Insekt seine Flügeldecken geöffnet hätte und sich anschickte, davonzufliegen. Jacky sprang wieder auf und lief stolpernd und hoffnungslos schluchzend über den unebenen Boden, den Dolch vor sich in der ausgestreckten Hand. Auf einmal geriet sie auf abschüssige Steinplatten, und obwohl es ihr gelang, während der nächsten Schritte das Gleichgewicht zu halten, kam sie schließlich zu Fall und schlug sich die Knie auf. Glücklicherweise hatte sie den Dolch nicht verloren. Na schön, kommt nur! dachte sie in Verzweiflung. Wenigstens weiß ich, daß ihr nicht unverletzlich seid. Wie es schien, war sie aus dem gewölbten Raum gelaufen und in einen Tunnel geraten, wo es noch nie den leisesten Lichtstrahl gegeben hat und niemals einen geben wird. Doch mit der Verzweiflung wuchs ihre Entschlossenheit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
    Wieder raschelte es in der Nähe, und eine wispernde Stimme ließ etwas vernehmen, wovon Jacky nur »sie umgebracht...«, verstand.
    Eine andere Stimme flüsterte zurück: »Es hat noch seine Augen - ich spüre den Luftzug ihrer Lidschläge.«
    »Nimm seine Augen!« winselte plötzlich eine Stimme, die einer alten Frau gehören mochte. »Aber meine Kinder brauchen sein Blut.«
    In diesem Augenblick wurde Jacky bewußt, daß sie Wasser riechen und das leise Rieseln und Rauschen vorbeiströmenden Wassers hören konnte. Es schien hinter ihr zu sein, und sie wandte sich um - und war überrascht, daß sie auf einmal Konturen ausmachen konnte.
    Es war kein richtiges Sehen, denn dazu war Licht nötig; aber ihre Augen unterschieden einen Bereich tieferer Dunkelheit, eine Schwärze, die in der Abwesenheit und Verneinung des Lichts geradezu leuchtete, und sie wußte, daß, sollte das auf dem unterirdischen Kanal nahende Objekt jemals an der Erdoberfläche erscheinen, selbst der hellste Sonnenschein von seinen schwarzen Strahlen verschluckt und verdunkelt würde. Als es langsam näherkam, erkannte sie, daß es ein Boot war.
    Ein weiteres Stück der absoluten Dunkelheit erhob sich dahinter und machte die gegenüberliegende Wand des Kanals kenntlich; es schien die Gestalt einer riesenhaften Schlange zu sein, und Jacky vernahm ein metallisch kratzendes Hallen entlang dem Wasserlauf, als sie sich langsam entringelte.
    Die Flüsterer in Jackys Nähe zwitscherten entsetzt durcheinander. »Apep!« rief eine Stimme. »Apep erhebt sich!« Und Jacky hörte ein Rascheln und Trippeln wie von Rattenfüßen, als ihre Verfolger die Flucht ergriffen.
    Sie lief ihnen nach.
    Wo die Steinplatten des Pflasters wieder in die Horizontale der unterirdischen Halle übergingen, wurde an deren anderem Ende wirklicher Lichtschein sichtbar, und bald sah Jacky den Zwerg und den Clown auf Stelzen dreißig oder vierzig Schritte entfernt durch den Bogen des Zugangs kommen. Die zwei Gestalten, unheimlich groß und unheimlich klein, machten halt und blickten in Jackys Richtung. Sie kauerte nieder, obwohl sie wußte, daß die beiden sie so tief in dem Schatten nicht sehen konnten.
    »Ich frage mich, was sie so aufgeregt hat«, sagte Horrabin. »Deine verdammten Irrtümer«, sagte Tay unbehaglich. »Der Inder beklagte sich, daß sie durch das Guckloch zu ihm sprächen.«
    Horrabin lachte, aber seine Heiterkeit klang gezwungen. »Du hast

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