Die Tore zu Anubis Reich
mir.« Das Gesicht des Zwerges verschwand, und Jacky hörte ein angestrengtes Grunzen, und dann hob sich die Steinplatte über ihr. Er spähte durch das erweiterte Loch herab, und sie sah, daß er einen kräftigen Knüppel, um dessen Mitte eine Seillänge geknotet war, in den Händen hielt. »Ich hoffe, du kannst ein Seil heraufklettern«, sagte Teobaldo.
»Natürlich«, antwortete Jacky. Ob ich es kann oder nicht, dachte sie, werden wir schon herausfinden.
Der Zwerg legte den Knüppel quer über das Loch und stieß das Seil in die Öffnung. Es war lang und lag in Schleifen auf dem lehmigen Grund zu Jacky s Füßen. Sie holte tief Luft, ergriff das herabhängende Seil so hoch über dem Kopf, wie sie reichen konnte, und begann sich Hand über Hand hinaufzuziehen. Wenige Sekunden später hatte sie eine Hand und gleich darauf beide um den Knüppel geschlossen.
»Jetzt faß den Rand«, sagte Teobaldo. »Dann kann ich den Stock wegnehmen, und du kannst dich herausziehen.«
Jacky entdeckte, daß sie sich mit einem Klimmzug und ohne Fußunterstützung aus einem Loch stemmen konnte. Als sie aufgestanden war, blickte sie traurig ihren Retter an, denn sie erinnerte sich jetzt, wo sie den Namen Teobaldo gehört hatte. »Früher hattest du hier die Leitung«, sagte sie leise.
Der alte Zwerg warf ihr einen scharfen Blick über die Schulter zu, während er die Leine einholte und geschickt um Hand und Ellbogen wickelte. »Das ist richtig.«
»Ich hörte, du seist... groß gewesen.« Der Zwerg legte das zusammengerollte Seil auf den Boden und stand am Rand der Öffnung, gegenüber vom steinernen Deckel. Er streckte und beugte die Arme, dann sagte er zögernd: »Gib dem Deckel einen Stoß, ja? Ich werde versuchen, ihn zu fangen und leise hinabzulassen. Ich soll dir das Abendessen bringen, und das hätte ich einfach durch das Guckloch geworfen; wenn die anderen oben die Deckplatte fallen hören, werden sie alle gelaufen kommen.«
Jacky stemmte sich gegen die Steinplatte, keilte ihre Sandalen in eine Rinne zwischen zwei Platten und spannte die Muskeln an.
Der Zwerg fing die herabfallende Platte mit den ausgestreckten Handflächen und ließ sich vom Gewicht niederdrücken, während er es abbremste. In einer Grimasse extremer Anstrengung fletschte er die Zähne, und Jacky sah, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat, während er die Platte mit zitternden Armen langsam hinabließ; dann ließ er sie los und sprang zurück. Die Platte fiel mit einem dumpfen Klang in ihr steinernes Widerlager.
Tay setzte sich schnaufend auf die Platten. »Das ist gut«, sagte er schwer atmend. »Das werden sie... nicht gehört haben.« Er stand mühsam auf. »Ja, ich war einmal groß.« Er zog die Fackel aus ihrem Loch und blickte zu Jacky auf. »Verstehst du dich auf Magie?«
»Ich fürchte, nein.«
»Na, wir werden ihn schon hereinlegen. Ich gehe jetzt wieder hinauf und sage ihm, daß du ihn sprechen willst - aber nicht zu Dr. Romany, der dich nur umbringen würde. Ich werde sagen, daß du deine Freiheit erkaufen möchtest, indem du Horrabin soviel verrätst, daß er Romany gleich sein... nein, daß er stärker als jener sein wird. Du kennst Zaubersprüche, werde ich sagen. In den acht Jahren, die er Romanys rechte Hand ist, hat er es zu einem guten Zauberer gebracht, das muß man Horrabin lassen, aber er versucht immer, den alten Mann zu bewegen, daß er ihm einen Zauberspruch oder zwei verrät. Romany hat es nie getan. Und wir werden sagen, daß deine Gruppe alles über Romanys Pläne in der Türkei weiß - das nämlich ist eine andere Sache, die Horrabin Kopfzerbrechen bereitet, daß Romany ihm nur soviel sagt, wie er wissen muß, um die Geschäfte in London zu führen. Ja«, sagte der alte Mann düster, »da wird er anbeißen. Er wird fragen, warum du dich gefangennehmen ließest, wenn du solch ein Zauberkünstler bist, aber ich werde ihm einfach sagen, du hättest erklärt, daß die Sterne für solche Sachen zur Zeit schlecht stünden. Klingt das gut?«
»Ich denke schon, doch warum die komplizierte Geschichte?« fragte Jacky nervös; schon wünschte sie, daß sie nicht versprochen hätte, ihm bei diesem gefährlichen Unternehmen zu helfen.
»Um ihn allein hierher zu bringen«, versetzte Tay ungeduldig. »Ohne seine Wächter. Er wird nicht wollen, daß sie die Zaubersprüche hören oder auch nur wissen, daß er Geschäfte mit Dr. Romanys Feinden macht.«
»Und was werden wir tun, wenn er hier herunterkommt? Ihn einfach umbringen?«
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