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Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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die Weinhändlerin, die ihn zuvor noch so verächtlich behandelt hatte. Einen winzigen Augenblick war sie jemand anders, jemand, den er einst gekannt hatte. Er sah, wie sie aufwachte, als wäre sie eine Fremde, sich zu ihm herumrollte, die großen Augen öffnete, blinzelte und ihn zufrieden anlächelte.
    »Guten Morgen, mein großer Mann «, hörte er sie sagen.
    Er blinzelte. In der Spanne eines Lidschlags sah er sie erneut, wie sie jetzt ruhig und leblos auf blutroten Laken ruhte, die Augen so friedlich geschlossen, dass man vielleicht nicht einmal das klaffende Loch in ihrer Kehle bemerkt hätte …
    Hör auf damit!, befahl er sich. HÖR AUF!
    Denaos kniff die Augen fest zusammen und atmete tief durch. Das Bild war wie ein Tumor in seinem Hirn und
wurde mit jedem Atemzug deutlicher. Stumm hielt er den Atem an und gab kein Geräusch von sich, bis seine Lungen zu platzen drohten.
    Als er die Augen wieder öffnete, lag sie da: gesund, unberührt und leise atmend.
    Er glitt aus ihrem Bett, schlich zu dem schwarzen Haufen seiner Kleider und spürte einen eisigen Lufthauch an seinen nackten Beinen. Es wäre so einfach, dachte er, hierzubleiben, die anderen einfach gehen und allein sterben zu lassen. Es wäre so einfach, hier neben ihr liegen zu bleiben …
    Er sah sie erneut an und widerstand dem Zwang, zu blinzeln.
    Seine Augen tränten bei dem Versuch, sie offen zu halten; er sah ihre Hand auf der Stelle, an der er eben noch geruht hatte. Sie hatte noch alle ihre Finger. Doch obwohl er nicht blinzelte, sah er plötzlich die roten Stümpfe an den großen, haarigen Händen, er sah die abgetrennten Finger, die auf dem Boden neben zwei wabbelnden schimmernden Augäpfeln rollten, in einer Pfütze aus brackiger Flüssigkeit. Vor seinem starren Blick tauchte ein bärtiges Gesicht auf, aufgesprungene Lippen eines aufgerissenen Mundes, flehentliche Bitten, die durch Erbrochenes hervorgestoßen wurden.
    Er wagte immer noch nicht, die Augen zu schließen, wagte nicht, in ihr Bett zurückzukehren. Es war der Duft von Leinen, gegen den er allergisch war, der Bilder in seinen Verstand drängte, die er niemals sehen wollte, diese Bilder, die wiederum andere Bilder beschworen. Er konnte von Glück sagen, dass er sich an sein Werk von vergangener Nacht nur in so flüchtigen Visionen erinnerte. Er konnte sich glücklich schätzen, dass er dem Albtraum der Laken entrann, bevor er tatsächlich der Versuchung des Schlafes erlag.
    Still und heimlich stieg er in seine Hose. Sie würde wütend sein, wenn sie aufwachte und feststellte, dass er verschwunden war. Dann jedoch war er bereits fort, vermutlich ertrunken. Vielleicht hatte ihm bis dahin irgendeine grauenvolle Monstrosität auch längst den Kopf abgebissen.
    Die Tür schloss sich leise hinter ihm. Die Frau drehte sich im Bett herum, und ihre Hand strich über eine Stelle ihrer Matratze, die keine Mulde mehr hatte, wo kein Laken durcheinander war, es keinen Beweis mehr gab, dass jemals jemand dort gewesen war.
     
    Die Sonne war die Domäne von Talanas.
    Dessen war sich Asper vollkommen sicher. Sie war das größte Geschenk des Heilers an die Menschheit, das Tor, durch welches Er die wachende sterbliche Welt betreten und verlassen hatte. Talanas zürnte den Menschen nicht, Er verfluchte die Anhänger eines anderen Gottes nicht; Er war der Gebende, der Seine Reinheit freigiebig verteilte und niemanden richtete. Und so war auch die Sonne eine vorurteilslose und großzügige Wohltäterin der Menschheit.
    Mehr noch, die Sonne war Sein Auge. Die Menschheit konnte nie wirklich von Talanas getrennt sein, denn Er beobachtete sie durch diese große goldene Kugel. Durch sie sah Er alle, die in Not waren, durch sie vernahm Er jedes Gebet. Nur unter dem Mantel der Nacht war es für Ihn schwierig zu hören. Bei diesem Gedanken runzelte Asper die Stirn; wenn Talanas sie gestern Nacht gehört haben sollte, warum gab Er ihr dann heute keine Antwort?
    Sie stützte sich auf die Reling neben dem Ruder und blickte aufs Meer hinaus. Die Nebelschleier über dem Wasser hoben sich, als die Morgendämmerung am Horizont aufzog. Sie hatte die Sonne immer willkommen geheißen, sich nach der Wärme gesehnt, die sie brachte, die Verbindung mit dem Heiler gesucht. Als sie im Tempel studiert hatte, war es ein Ritual für sie gewesen, die Sonne hinter den bunten Fensterscheiben aufgehen zu sehen.
    Hier jedoch, weit entfernt von den tröstlichen Steinmauern, auf dem offenen Meer, war der Tagesanbruch nicht ganz so

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