Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
sich wieder umdrehte.
Vielleicht, dachte sie, bleibt Quillian, wenn ich mich nicht rühre, auch einfach ruhig stehen und sagt nichts. Es wäre dasselbe, wie allein zu sein, nur dass eine merkwürdige, stumme, in eine eherne Rüstung gehüllte Frau sie anstarrte.
»Ihr klingt nicht sonderlich überzeugt.«
Bevor Asper auch nur den Mund zu einer Erwiderung öffnen konnte, erkannte sie die unerfreuliche Wahrheit in Quillians Worten. Die Serrant hatte vollkommen recht.
Sie schloss die Augen und versuchte, Erinnerungen an gemeinsames Gelächter zu beschwören, an Geschichten, die
sie sich gegenseitig erzählten, an einen Grund, warum sie sie »Gefährten« nannte. Doch alles, was hinter ihren Lidern aufblitzte, waren Bilder von niedergemetzelten Körpern, von vergossenem Blut. Das Froschwesen, das bebend wie ein Pudding in einer Ecke lag …
Hör auf damit!
Ihr Verstand missachtete den Befehl.
Wo, dachte sie, ist das Werk des Heilers? Wo waren die geschienten Knochen und das geheilte Fleisch? Wo hatte sie die Trauernden getröstet? Was war mit den Bestattungen? Hatte es etwas anderes gegeben als bandagierte Leichen, Todeslisten und Stahl?
Wenn ich bei ihnen bleibe, wird es dann jemals etwas anderes als das geben?
»Verzeiht mir meine Kühnheit.« Quillians Stimme wurde leiser, als die Priesterin schwieg. »Ich hätte Eure Motive nicht in Frage stellen dürfen.«
»Ich bin jetzt ein Jahr mit ihnen zusammen.«
Die Rüstung der Serrant rasselte vernehmlich, als sie sich aufrichtete. Ohne hinzusehen wusste Asper, dass Quillian sie anblickte, erwartungsvoll und aufmerksam. Und gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie ein solches Verhalten bei ihren Gefährten bisher noch nie hervorgerufen hatte.
»Ich habe in dieser Zeit viel Gutes bewirkt«, fuhr sie leise fort. »Das bereue ich nicht. Damals schien es eine großartige Idee, mich in der Gesellschaft von Gefährten auf meine Pilgerreise zu begeben. Wo sonst hätte ich so viel gefunden, was ich heilen könnte?«
»Nach meiner bescheidenen Erfahrung«, Quillians Stimme enthielt eine Spur von Gift, »gibt es nur selten eine gute Idee, bei der Heiden und Shict eine Rolle spielen.«
»Es sind gute Leute.« Ihre Erwiderung kam weder so schnell noch so streng, wie sie beabsichtigt hatte. »Sie sind einfach nur…« Brutal? Gewalttätig? Halb verrückt? Keines der Worte schien sie zutreffend zu beschreiben. »Missgeleitet.«
»Fällt es denn Euch zu, sie auf den rechten Weg zu leiten?«
Erneut verschlug die Frage der Serrant ihr die Sprache. Sie öffnete nicht einmal den Mund zu einer Erwiderung, während die Worte in ihrem Kopf widerhallten. Welche Hoffnung hatte sie, die Gefährten von ihrem Tun abzubringen? Sie war jetzt ein Jahr mit ihnen zusammen, ein blutiges, wildes Jahr. Sie hatten ihren Stahl und ihre Wildheit zum Wohle der Kirche eingesetzt, das stimmte wohl, aber sie hatten es unbarmherzig getan und forderten jetzt exorbitante Summen …
Was konnte sie Gutes tun, wenn sie bei ihnen blieb?
Als sie sich umdrehte, stand Quillian dicht vor ihr, viel näher, als sie die Frau jemals gesehen hatte. Ihre Gesichtszüge wurden klarer; unter ihren harten Linien verbarg sich etwas Weiches, ihre Augen zitterten, als versuchte sie sich krampfhaft daran zu erinnern, wie Frauen blicken sollten.
Die Erkenntnis traf Asper schlagartig. Vor diesem Moment hatte sie die Serrant noch nie so gesehen, ohne Schwert an der Hüfte, ohne Schwüre oder Schlachtrufe auf den Lippen, ohne Kampfeslärm im Hintergrund. Diesmal stand nicht die Paladin-Serrant Quillian Guisarne-Garrelle Yanates vor ihr, sondern einfach nur Quillian, die Frau.
»Es gibt Gutes zu tun«, flüsterte Asper, »und zwar hier und jetzt.«
Quillians Hand zuckte, und die ehernen Knöchel ihres Handschuhs klapperten. Sie hob sie zu ihrer Brust, wo sie verharrte, bebend, als wollte sie noch höher greifen.
Dann zuckte etwas über ihr Gesicht, so rasch, dass es Asper entgangen wäre, hätte sie nicht so nahe bei ihr gestanden. Quillian riss eine Sekunde die Augen auf und schloss sie dann fest. Als sie sie wieder öffnete, war ihr Blick weich. Ihre Lider zuckten, und eine Träne bildete sich in einem Augenwinkel. Die Serrant biss sich so fest auf die Unterlippe, dass Asper fürchtete, jeden Moment könnte das Blut hervorquellen.
»Verzeiht mir, Priesterin«, sagte sie. Ihre Stimme klang
plötzlich wieder streng und pflichtbewusst. »Ich muss mich um die Wünsche des Lord Emissärs kümmern.«
Sie verschwand mit einer
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