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Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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bekam keine Antwort.
    Das Omen hüpfte weiter und verschwand mit raschelnden Federn im Dunkel des Dschungels. Lenk folgte ihm, zwängte sich durch das Dickicht aus Zweigen. Die Blätter zupften an ihm, als versuchten sie, ihn zurückzuhalten. Er achtete nicht darauf, schob sie zur Seite und trat aus dem Wald heraus.
    Die Sonne fühlte sich seltsam auf seiner Haut an, feindselig und abweisend. Doch er erübrigte nur einen flüchtigen Gedanken dafür, bevor sein Blick sich zu dem aufgerissenen Maul und den hervorstehenden Augen vor ihm senkte.
    »Seemutter!«, hallte es aus dem klaffenden Schlund, »gütige Mutter und barmherzige Beobachterin, vergib mir meine Sünden und wasche mich rein.«
    Es war ein zamanthrisches Gebet, voller Verzweiflung und Furcht, wie Lenk erkannte. Die Vorstellung, denjenigen retten zu können, den das Omen nachäffte, hatte er jedoch längst aufgegeben, und Lenk rührte das Gebet nicht mehr. Das witterte der Parasit; er klapperte mit den Zähnen und raschelte mit den Federn.
    »Hör auf«, sagte Lenk. »Zeig es mir.«
    Das Omen nickte mit dem Kopf, senkte ihn, um Lenk von unten anzustarren, hüpfte ein paar Schritte weiter und flog dann los. Lenk folgte seinem langsamen, plumpen Flug über
den Strand. Der Wald war nicht vollkommen vom Sand verdrängt worden, wie es schien, denn einige wenige Bäume reckten immer noch ihre Äste in die Höhe.
    Sie waren von einem üppigen Grün, aber nicht grün genug, um Lenk von den beiden Leichen abzulenken.
    Es waren Klippenaffen, jedenfalls waren sie es gewesen, bevor die Omen ihr Festmahl begonnen hatten. Jetzt hockten die plumpen Vögel wie Leichentücher auf ihnen, bohrten ihre Hakennase in die Kadaver, rissen Finger ab und zerfetzten mit ihren gelben nadelspitzen Zähnen die tätowierte Haut. Ein ganzer Schwarm von ihnen tat sich an den Leichen gütlich, sie saugten Haut in ihre Innenlippen und zermalmten Knochen zwischen ihren breiten Kiefern. Sie ließen nichts übrig.
    Nichts, bis auf die Gesichter.
    Die beiden Männer schienen sich auszuruhen. Die Augen waren geschlossen, die Münder ebenfalls, und ein unmerkliches Lächeln hob ihre Mundwinkel. Die Gesichter waren vollkommen unberührt, nahezu makellos, und boten einen fast angenehmen Anblick gegenüber den roten und rosa Fresken ihrer verstümmelten Körper.
    Hätte nicht eine schwach glitzernde Spur von Schleim auf ihren Gesichtern gelegen, hätten sie ausgesehen, als hielten sie nur ein Schläfchen in der Nachmittagssonne und könnten jeden Moment aufwachen, um sich darüber zu beschweren, dass ihre Körper so zugerichtet worden waren. Aber Lenk sah den schimmernden Schleim, der ihre Nasen verstopfte, ihre Ohren und ihre Lippen versiegelte. Diese Männer würden nie wieder erwachen.
    Die Omen blickten auf, als er einen Schritt auf sie zutrat, und betrachteten ihn einen Moment mit ihren starren Augen. Dann erhoben sie sich von den Leichen. Lautlos glitten sie zu dem letzten Baum am Strand und landeten auf seinen Ästen, von wo aus sie ihn weiter anstarrten. Ein Dutzend Augenpaare glotzte ihn wie aus großen weißen Früchten an.
    Erst als Lenk näher kam, nahm er den Stamm des Baumes wahr. Er war nicht schlank und glatt wie die Stämme der anderen
Bäume, sondern rau, und er schien auf einer Seite von einem bösartigen Tumor befallen zu sein.
    Als sich Lenk dem Baum näherte, erstarben sämtliche Geräusche wie auf einen Schlag. Kein einziger Vogel sang, kein Blatt raschelte, und selbst die Wellen hörten auf zu branden. Lenk starrte eine gefühlte Ewigkeit auf den Stamm. Doch erst als sich der Baum bewegte, begriff der junge Mann.
    Der Baum starrte ihn ebenfalls an.
    Das Abysmyth machte zunächst keine Bewegung und gab auch nicht zu erkennen, dass es seine Anwesenheit wahrnahm. Nur die beiden großen, ausdruckslosen Augen glitzerten im Schatten. Sein Kopf rollte leicht hin und her, und in seinem Maul glitzerten mehrere Reihen scharfer, großer Zähne, als es die Kiefer öffnete und etwas seine Brust und seinen Hals hinaufrumpelte.
    »Guten Tag«, sagte es.
    »Guten Tag«, äffte der Chor der Omen nach. »Guten Tag, guten Tag, guten Tag.«
    »Guten Tag«, erwiderte Lenk, ohne zu wissen, warum.
    Vielleicht ist es ja klug, jemandem, der in der Lage ist, einem den Kopf abzureißen, mit guten Manieren zu begegnen, dachte er. Die Kreatur schien seine Höflichkeit jedoch nicht zu bemerken, sondern ließ weiterhin ihren Kopf auf den ausgemergelten Schultern pendeln.
    »Die Abgründige Mutter hat uns,

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