Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
Füße antworteten. Die Spuren erzählten eine Geschichte, und ihre Augen lauschten. Das war der wahre Zweck einer shictischen Jagd: zu lernen, zu lauschen, zu fragen und zu antworten. Sie konzentrierte sich auf den Boden, ihr Blick folgte den Spuren und verfolgte neugierig die Geschichte.
Sie hatte dramatisch begonnen, das erkannte sie an dem Durcheinander der Abdrücke, auch wenn sie sich nicht viel
Mühe gab, die einzelnen Personen zu unterscheiden. Die Spuren waren undeutlich und verwischt, ihr Dialog chaotisch und gehetzt. Sie verdrehte die Augen; es war, als wären diese Menschen hier sich nicht bewusst gewesen, dass jemand sie wie Vieh jagen könnte.
Das ist beleidigend.
Dennoch folgte sie den Spuren weiter. Es waren Männer, was die Tiefe der Abdrücke bewies, und sie waren alles andere als behände. Sie hatten sich beeilt, waren gerannt, aber weshalb?
Vielleicht haben sie etwas gejagt, dachte sie, verwarf diesen Gedanken jedoch rasch. Es gab keinen Anhaltspunkt für eine weitere Rolle in dieser Geschichte, keine Spuren von etwas, das essbar gewesen sein könnte. Wenn sie jedoch nicht der Hunger angetrieben hatte, was dann?
Es gab nur wenig, was eine solche Hast hervorrief. Gold, Juwelen, Fleisch oder Gewalt waren die typischen Beweggründe für Hast, aber all das schien auf Ktamgi sehr rar zu sein. Sie blieb stehen und kratzte sich nachdenklich die Seite.
Da wäre immer noch Furcht, sagte sie sich.
Sie seufzte; eine sehr vorhersehbare Wendung der Geschichte. Dennoch, das trieb den Handlungsfaden voran und zwang sie, der Fährte zu folgen.
Doch von da an wurde die Geschichte immer durchschaubarer, und die Hinweise wurden beinahe bestürzend deutlich. Hier hatte sich ein Stiefel in einer Wurzel verfangen und war von seinem Besitzer zurückgelassen worden. Er war noch zwei Schritte weitergelaufen, bevor die Fährte plötzlich endete.
Das allerdings veranlasste Kataria, stehen zu bleiben. Sie musterte noch einmal die ganze Fährte, fand jedoch keine weiteren Abdrücke dieses speziellen Charakters. Er war einfach noch ein Stück weiter geflüchtet und dann auf einmal verschwunden. Seine Füße waren vom Erdboden verschwunden, als wären ihm urplötzlich Flügel gewachsen.
Gegen besseres Wissen sah sie hoch; das Blätterdach war dicht und unberührt.
Neugierig ging sie weiter. Die Abdrücke hatten sich geteilt, und ihre Spuren kreuzten einander unaufhörlich. Ein stechender Geruch drang ihr in die Nase, und ihr Blick richtete sich auf eine kleine Mulde am Fuß eines Felsbrockens.
Sie verzog das Gesicht; eine ekelhafte Brühe von gelbbrauner Farbe bildete eine Pfütze an der Stelle, wo einer der Charaktere auf den Hintern gefallen war und keinen Schritt weiter getan hatte. Ein ziemlich geschmackloses Ende, dachte sie.
Eine Spur führte weiter, erstreckte sich lang und gerade über den Boden. Der hier ist beherzt gewesen, dachte sie. Er war noch dreiundzwanzig Schritte weitergelaufen, bevor er neben einem Baum zusammengebrochen war. Direkt neben der aufgewühlten Erde, wo er gestürzt war, erregte ein rotes Glitzern ihre Aufmerksamkeit. Es hob sich deutlich gegen das Braun des Baumes ab. Sie verzog das Gesicht, als sie die uralte Pflanze untersuchte: Ihre Borke war von acht tiefen Furchen durchzogen. Rote Flecken glänzten wie winzige Juwelen in den Rillen, Fragmente von schmutzigen Fingernägeln waren wie rohes Erz in das Holz eingebettet.
Beherzt, fürwahr.
Kataria erhob sich, rieb sich mit den Knöcheln den Rücken und sah sich um. Ein solches Ende hatte sie schwerlich erwartet. Drei Menschen liefen in den Wald, hinterließen schlampige Spuren und verschwanden dann spurlos? Wo war die Spannung? Das Drama?
Ihre Augen wurden weiter, als ihr plötzlich etwas auffiel.
Wo ist der Schurke in diesem Stück?
Konzentriert betrachtete sie die Fährte, untersuchte jede Vertiefung, jede Spur, jeden gebrochenen Zweig. Sie fand nichts. Was auch immer diese Männer gejagt hatte, hatte keinen Hinweis auf sich selbst hinterlassen. Seine Abdrücke waren im Chaos der Jagd untergegangen, falls es überhaupt welche gegeben hatte. Sie runzelte besorgt die Stirn; es gab
auch keine Zeichen von den anderen Charakteren. Alles, was von der Mannschaft der Kettenhexe zurückgeblieben war, waren ein paar Blutflecken, Spuren von Fingernägeln, ein alter Stiefel und eine Pfütze aus Urin und Exkrementen.
Das ist kein anständiges Finale.
Der Wind drehte, die Blätter raschelten, und sie spürte plötzlich Wärme auf ihrem
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