Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
zusammengekniffenen Pobacken deutlich werden.
Das hatte Lenks Großvater gesagt, jedenfalls glaubte der junge Mann das. Und auch wenn es sehr schade war, dass er niemals einen Grund finden würde, diese Weisheit zum Besten zu geben, war nicht zu leugnen, dass sie durchaus anwendbar war.
Und solche aus Hass und Argwohn angespannten Pobacken hatten kleine Kuhlen in den Sand gegraben. Nur Lenks Blick, der unaufhörlich zwischen seinen Gefährten hin und her zuckte, hielt sie auf ihrem Platz.
Es war nicht leicht gewesen, sie überhaupt zum Sitzen zu bewegen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass Kataria und Gariath einigermaßen unversehrt waren, hatte es der Anstrengung aller sterblichen Kreaturen und der nachdrücklichen Androhung einer möglichen Exekution bedurft, dass sie sich in einem Kreis im Sand niederließen.
Lenk saß in ihrer Mitte, ihr drahtiger silberhaariger Anführer hatte sein blankes Schwert auf dem Schoß und musterte abwechselnd seine Gefährten und die hellhäutige Kreatur, die ihm gegenübersaß.
Sie bot einen Anblick, der Aufmerksamkeit erheischte.
Ihre Gesichtszüge waren im Prinzip menschlich. Ihr Gesicht wies zahllose Falten auf, sie hatte fünf Finger und Zehen an Hand und Fuß, die mit Schwimmhäuten versehen waren, und langes, fließendes Haar. Grünes Haar. Ihre gefiederten Kiemen, die blassblaue Haut und die Flosse auf ihrem Kopf, die sich gelegentlich aufstellte, veranlassten den jungen Mann dagegen, seine Pobacken argwöhnisch zusammenzukneifen.
Nur entspannten sie sich unangenehmerweise jedes Mal, wenn sie sprach.
»Ich bitte erneut um Verzeihung.« Ihre Stimme klang flüssig, glitt wie auf gekräuselten Wellen in seinen Kopf und hallte dort nach. »Hätte ich gewusst, dass ihr nichts Böses im Schilde führt, hätte ich meine Stimme nicht benutzt.«
Lenk runzelte die Stirn. Bis jetzt hatte er noch nie daran gedacht, dass eine Stimme eine Waffe sein könnte. Und bis zu diesem Moment hätte er auch nicht geglaubt, dass man sie als Waffe benutzen könnte.
»WAS HAT SIE GESAGT?«
Er schrak bei Katarias Frage zusammen. Sie hatte sich vorgebeugt und schrie ihn an.
»SIE HAT SICH ENTSCHULDIGT!«, erwiderte er ebenfalls schreiend.
»JA, DAS SOLLTE SIE AUCH!«, brüllte die Shict.
»Ich entschuldige mich erneut«, sagte die Frau wieder. »Die Taubheit sollte schon bald abklingen.«
»WAS HAT SIE GESAGT?«
»Sie dauert schon viel zu lange«, murmelte Lenk und wischte Katarias Frage mit einer Handbewegung zur Seite. »Einstweilen ist deine Entschuldigung akzeptiert.« Als Gariath verächtlich schnaubte, fuhr er fort: »Jedenfalls von jedem, der etwas zu sagen hat.«
»Wir würden uns vermutlich etwas wohler fühlen, wenn wir deinen Namen erführen«, mischte sich Asper liebenswürdig ein.
»Und vor allem, wer zum Teufel du bist.« Denaos sah die
Frau von der Seite an. »Wie kannst du überhaupt so sprechen?«
»Sie hat einen Mund.« Dreadaeleon verdrehte die Augen.
»Ich meine, wieso spricht sie unsere Sprache?«, präzisierte der Assassine. »Wie erlernt eine Art Fisch-Frauen-Wesen die menschliche Sprache?«
»Sei nicht so barsch«, tadelte Asper ihn und drehte sich mitfühlend zu der Kreatur herum. »Du bist mehr Frau als Fisch, hab ich recht?«
»Ich …« Die Kreatur schien sich zu bemühen, Verwirrung auszudrücken. »Ich bin weder Fisch noch Mensch, obwohl ich mich bereits mit beiden Spezies ausführlich unterhalten habe.«
»Ah. Du sprichst also nur mit Fischen.« Denaos seufzte. »Das wird wieder eine dieser Unterhaltungen, an der ich lieber nicht teilnehmen würde, das weiß ich jetzt schon.«
»Dann geh doch, wenn du willst!«, fuhr Dreadaeleon ihn an. »Wir erreichen ohne dich vermutlich ohnehin erheblich mehr.«
»Wir würden noch mehr erreichen, wenn ihr aufhören würdet, euch wie Affen gegenseitig anzukeckern.« Lenk richtete seinen finsteren Blick auf die Frau. »Also gut … wir wissen, dass du unsere Sprache sprechen kannst. Jetzt sag uns, was du bist.«
»Sie ist ganz offenkundig eine Sirene«, unterbrach der Magus ihn.
»Eine was?«
»Unmöglich«, meinte Denaos höhnisch. »Sirenen sind ein Mythos.«
»Dämonen waren das bis gestern ebenfalls«, konterte Dreadaeleon.
»Dämonen sind Werkzeuge blanker Vernichtung, die nichts lieber tun, als uns aufzureißen und unsere Innereien zu fressen. Es ist also nicht schwer zu glauben, dass so etwas existiert.« Der Assassine schüttelte den Kopf. »Sirenen sind eine Legende, mit denen man gern
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