Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
zwischen Violett und Gelb fest.
Lenk wünschte sich geistesabwesend mehr als nur ein armseliges Stück Kohle, um diese Stimmung festzuhalten.
Sein Verlangen war vergeblich; im Beiboot waren keine Federkiele gewesen. Er würde das bröselige schwarze Zeug vermissen, wenn es darum ging, ein Feuer zu entzünden, aber jetzt taugte es ausgezeichnet zum Schreiben und Skizzieren.
Eine Brise wehte vom Meer herüber, angereichert mit dem kalten Salzgeruch des vormorgendlichen Dunstes. Sie glitt über seinen Körper wie eine kalte Schlange, zog jedoch weiter, ohne von ihm bemerkt zu werden. Er spürte Kälte kaum noch. Regen und Winter, Sonne und Frühling, alles fühlte sich für ihn gleich an: ein schwaches Kribbeln, ein vorübergehendes Schaudern, und das war’s.
Er hielt inne und starrte ausdruckslos auf das Journal in seinem Schoß.
Er spürte die Kälte nicht mehr …
»Du bist früh auf.«
Ihre Stimme hinderte ihn, weiter darüber nachzudenken. Kataria stand hinter ihm, bekleidet mit der Rehlederhose und dem abgeschnittenen grünen Wams. Sie sah ihn besorgt an. Ihre Ohren zuckten, und sie bohrte ihre nackten Zehen in den Sand.
»Ja.« Er drehte sich wieder zu seiner Skizze herum.
Ihre Schritte knirschten laut auf dem feuchten Sand; das war nicht gut. Wenn sie sich nicht die Mühe machte, lautlos aufzutreten, bedeutete das gewöhnlich, dass sie auch andere Geräusche nicht dämpfte, die sie vielleicht machen würde.
»Du hast gestern Abend nicht gerade viel gegessen.« Sie setzte sich neben ihn.
»Wir müssen unsere Vorräte rationieren.« Er blickte nicht auf. »Gariath isst für zwei, und Denaos stopft noch mehr in sich hinein, nur um Gariath zu ärgern.« Er betrachtete ihren schlanken hellhäutigen Körper aus dem Augenwinkel. »Du hast auch nicht viel gegessen, und du bist genauso früh wach wie ich.«
»Mein Volk isst und schläft nicht so viel wie Menschen.« Sie gab sich nicht einmal Mühe, ihr Feixen zu kaschieren. »Das brauchen wir nicht.«
»Mmh.« Selbst sein Brummen war halbherzig; er hatte längst den Punkt überschritten, an dem er sich über die lauthals verkündeten Vorzüge der Shict noch aufregte. Er hörte gar nicht mehr richtig hin.
»Ich wusste nicht, dass du zeichnest.« Sie warf einen Blick über seine Schulter und wurde blass.
»Mmh.«
»Du zeichnest furchtbar schlecht.«
»Mmh.«
»Du scheinst nicht ganz zu kapieren, wie das funktioniert. Ich sage etwas zu dir, du erwiderst etwas, wir kämpfen, und einer blutet vielleicht. Das ist unsere Art zu kommunizieren.«
»Zu früh«, erwiderte er. »Ich steche dir ein bisschen später ein Auge aus, okay, dann ist alles wieder beim Alten.«
»Später bin ich vielleicht nicht mehr in Stimmung dafür.« Sie beugte sich über seinen Schoß, und Lenk erstarrte. »Was zeichnest du überhaupt?«
»Diese Inseln im Norden.« Er deutete mit einer Hand auf die drei grünen Punkte am Horizont, während er Kataria mit der anderen wegschob. »Sie sind mir jetzt erst aufgefallen.« Er tippte sich mit der Kohle ans Kinn. »Möglicherweise ist eine von ihnen Teji. Da lohnt es doch, sie zu skizzieren, denkst du nicht?«
»Du willst nicht wissen, was ich denke. Was hast du noch gezeichnet?«
Bevor er antworten oder auch nur protestieren konnte, schossen ihre Hände wie zwei fahle Frettchen vor und rissen ihm das Journal vom Schoß. Dann keckerte sie boshaft und duckte sich, um seinen fliegenden Fäusten auszuweichen. Nach einer geschickten Rolle sprang sie wieder auf die Füße und blätterte die Seiten um, während sie mit einer beinahe beleidigenden Lässigkeit hüftschwingend davonschlenderte.
»Hm, ja.« Sie kratzte sich an einem imaginären Bart, während sie die Seiten mit den Augen verschlang. »Meer … Tore … Dämonen … Hoffnung.« Sie schnalzte. »Ein bisschen morbide, findest du nicht? Das hier muss überarbeitet werden. Lass dieses ganze Gequatsche von den Menschen weg und konzentriere dich auf die Teile mit den Shict.«
»Das ist zum Lesen gedacht und nicht dafür, sich damit den Hintern zu wischen.«
Seine Hände packten mörderisch zu und griffen in die Luft, weil sie zur Seite sprang. Ohne die geringste Vorsicht an den Tag zu legen wich sie langsam zurück und las weiter.
»Wäre auch gut, denn ich bin ohnehin kein großer Leser.«
»Gehörst wohl eher zu der ungebildeten Sorte, was?«
»Wenn du halb so schlau beim Schreiben wärst wie mit deinem Mundwerk, dann könntest du tatsächlich etwas
halbwegs von Wert zustande
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