Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
Kampf. Ich bin … ich bin gefallen.«
»Gefallen?« Er glitt zu ihr. »Was hast du …?«
»Mir geht es gut!« Sie wirbelte gereizt zu ihm herum und fletschte die Zähne wie ein Tier, während sie aufstand. »Es war ein Kampf. Und … es ist tot. Gerade du brauchst dich nicht um mich zu kümmern.«
Ihre Augen schwammen in Tränen, und unter ihrer Nase glitzerte es feucht. Sie stand da, streng, aufrecht und hoch erhobenen Hauptes, obwohl ihre Beine zitterten. Das war sehr ungewöhnlich, denn Priesterinnen hüteten ihre Tränen, als wären sie aus Gold. Selbst wenn Asper von Tod umgeben war, trauerte sie nur selten in Gegenwart anderer. Sie hielt ihre Gefährten für zu blasphemisch, als dass sie ihnen diesen Anblick gegönnt hätte.
Und doch stand sie jetzt vor ihm, fast so groß wie er, obwohl sie so viel kleiner wirkte, so sanftmütig.
»Da sind…« Sie drehte den Kopf zur Seite, als würde sie seinen prüfenden Blick spüren. »Hier sind noch mehr von diesen Kreaturen.«
»Es waren noch mehr hier, ja«, antwortete Denaos. »Ich habe mich ihrer angenommen.«
»Du hast dich ihrer … wie?«
»Was glaubst du wohl?«, erwiderte er ruhig und schob den Dolch in die Scheide. »Ich habe die beiden anderen gefunden und sie lautlos erledigt.«
»Zwei?« Sie drehte sich zu ihm herum. Sorge lag in ihrem Blick. »Außer dem da waren es noch vier andere.«
»Du irrst dich. Ich habe nur zwei gesehen.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe sie durch das Bullauge gesehen, als sie vorbeigeschwommen sind. Es waren insgesamt fünf.«
»Fünf, hm?« Denaos rieb sich das Kinn. »Ich nehme an, die beiden anderen kann ich auch noch erledigen.«
»Vorausgesetzt, sie sehen dich nicht«, fauchte sie und hob ihren Stab auf. »Gehen wir.«
»Bist du sicher?«, fragte er mit einem beleidigenden Unterton, während er sie von Kopf bis Fuß betrachtete. »Du solltest eigentlich nicht das Bedürfnis nach einem weiteren
Kampf verspüren.« Er warf einen Blick auf den blassen Leichnam an der Wand. »Immerhin hast du den da gründlich fertiggemacht.«
Er blinzelte, als die Kreatur plötzlich vor seinen Augen zu wabern schien. Sie rührte sich nicht und stand auch nicht auf. Die Bewegung war so subtil, dass jemand anders sie vielleicht übersehen hätte. Doch als er einen Schritt vortrat, reagierte sie auf die Erschütterung durch seine Schritte. Sie waberte, und ihre Haut kräuselte sich unmerklich, als bestände sie aus Wasser.
So etwas machte Haut nicht, das wusste er.
»Lass die Toten einfach dort liegen.« Alle Autorität, die Asper in ihre Worte hatte legen wollen, versickerte in dem Zittern ihrer Stimme. Sie holte scharf Luft und riss sich zusammen. »Dieses Wesen ist fast nackt; es besitzt nichts, was du ihm rauben könntest.«
Doch Denaos’ Aufmerksamkeit war vollkommen auf die Kreatur zu seinen Füßen gerichtet. Der Assassine beugte sich vor und betrachtete sie aufmerksam. Ihr Körper schien zu zerfließen. Denaos atmete heftig aus, als er sich vorbeugte, und unter dem Luftzug kräuselte sich die Haut des Wesens erneut.
»Lass es in Ruhe!«, befahl Asper.
Doch seine Neugier, so morbide sie auch sein mochte, zwang ihn, einen Finger auszustrecken, obwohl sein Verstand ihn anflehte, es nicht zu tun. Er bohrte den Finger gegen den haarlosen runden Kopf der Kreatur und stieß auf keinerlei Widerstand. Seine Fingerkuppe sank in die Haut ein, als wäre sie aus zähem Pudding, und als er die Hand zurückzog, blieb ein perfekter ovaler Fingerabdruck auf dem Schädel zurück.
Es hatte keine Knochen mehr.
»Süßer Silf!« Er atmete schneller, als er sich umdrehte und Asper ansah. »Was hast du mit ihm gemacht?«
Sie öffnete den Mund, um zu antworten, riss die Augen auf, und ihre Lippen bebten. In diesem Moment gellte ein Schrei, der von den Planken widerhallte. Im selben Moment
verschwand die Furcht, die sich auf ihrem Gesicht abgezeichnet hatte, und wurde durch eine Miene strenger Entschlossenheit ersetzt, als sie ihn finster ansah.
»Lass die Toten ruhen!«, zischte sie ein letztes Mal, bevor sie ihren Stab mit beiden Händen packte und hinaus in den Gang stürmte.
Normalerweise hätte er ihr mit weiteren Fragen zugesetzt, trotz ihres ungewöhnlich barschen Tons. Normalerweise hätte er das, was da geschrien hatte, ihr überlassen, da sie damit ja ganz offenkundig ausgezeichnet fertig wurde. Es war schlichte habgierige Vorsicht, die ihn aufspringen und ihr folgen ließ, der Instinkt, der allen Abenteurern
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