Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
Lippen ein lautloses Gebet sprachen.
»Dann soll die Erlösung gewährt werden«, sagte die Kreatur.
Der kurze Moment der Fassungslosigkeit war vorüber. Sie
straffte sich und warf einen Blick auf den Schaft der Harpune, der aus ihrem Bauch ragte. Ohne einen Laut zerrte die Kreatur sie heraus, sodass ihr Fleisch vernehmlich aufriss und schwarze Brocken davon auf das Deck klatschten.
»Und so ist mir meine Rolle vorgeschrieben. Ich bin hier, um euren Irrtum, eure falsche Hoffnung deutlich zu machen.«
Ein saugendes Geräusch ertönte, als würde jemand einen Fuß aus einem Schlammloch ziehen, und die klaffende Bauchwunde der Kreatur zitterte. Langsam, mit einem feuchten Stöhnen, schlossen sich die zerfetzten Ränder und versiegelten sich mit einem grotesken Schlürfen der Sehnen.
»Was zum…« Der Seemann trat atemlos einen weiteren Schritt zurück. »Was … was im Namen von Zamanthras bist du?«
Der Arm der Monstrosität schoss wie ein schwarzer gummiartiger Tentakel vor und packte den Kopf des Seemanns. Ihre Krallen gruben sich in den Schädel, als sie den Mann hochhob. Dieser kreischte und trat wie von Sinnen um sich, schlug mit den Fäusten gegen die Hand der Kreatur, wand sich in ihrem festen Griff.
»Ich bin«, gurgelte sie geheimnisvoll, »Erbarmen.«
Die Schreie des Seemanns erstarben, als die Klauen der Monstrosität sich schlossen. Mit quälender Langsamkeit quoll zäher grauer Schleim zwischen den zitternden Krallen hervor. Die Männer nahmen die Schreie ihres Kameraden auf, als immer mehr Schleim aus der Klaue der Kreatur sickerte und Kopf und Gesicht des Mannes bis zu den Schultern bedeckte. Wie bei einem Hasen in der Schlinge kamen die Beine des Mannes langsam zur Ruhe, zuckten noch ein paar Mal, und seine Gegenwehr erstarb.
Dann baumelte nur noch ein Stück lebloses Fleisch im Griff der Kreatur, gleich einem hingerichteten Verbrecher am Galgen, der eine Maske aus zähem Schleim trug. Das Echo des Geräusches, mit dem der Leichnam auf die Planken schlug, schien eine Ewigkeit anzuhalten.
»Ein besserer Ort, ein besserer Traum, frei von deinen gleichgültigen Göttern. Dies ist Ulbecetonths Geschenk an dich.« Die Stimme der Kreatur sank zu einem Flüstern herab und hätte fast zartfühlend geklungen, wäre nicht das gallige Gurgeln in ihrer Kehle gewesen. »Schlafe nun … und träume vom Blau.«
Selbst das Tosen der Wogen hatte sich gelegt. Dem Meer versagte die schaumige Stimme, als es Zeuge der Gräuel wurde, die sich an seiner Oberfläche abspielten. Alle auf dem Schiff teilten diese Empfindung; allen Männern stockte der Atem, den Frauen verschlug es die Sprache, und nicht einmal der Schrei einer Möwe brach die erstickende Stille. Keiner der Anwesenden wagte es, furchtsam zu schluchzen, niemand hörte auch nur einen einzigen Laut.
Niemand.
Bis auf Lenk. Sein Blick war auf den Leichnam gerichtet, auf den Leichnam des Mannes, den er nie kennengelernt, dessen Namen er nie gehört hatte, und dessen Tod seiner Witwe niemals befriedigend erklärt werden konnte. Seine Augen waren starr auf den Toten gerichtet, und in seinen Ohren erklang eine Stimme.
»Überflüssig. Verschwendung. Er wäre noch am Leben, wenn du getötet hättest.«
»Er ist tot«, murmelte Lenk.
»Deinetwegen.«
»Halt den Mund, Lenk«, drängte ihn Kataria und drückte seine Schulter. »Es wird hören …«
Kataria verstummte, als zwei ausdruckslose Augen sich auf sie richteten. Es hatte gehört.
»Sonderbar«, gurgelte die Kreatur, als wäre sie sich plötzlich der Gegenwart der Seeleute und der Abenteurer bewusst geworden, »welch merkwürdiges Ungeziefer auf dem Meer herumschwimmt.«
Die Antwort, die ihr geboten wurde, klang zart, war kaum mehr als ein Wispern. Dann wurde die Stimme kräftiger, schwoll immer mehr an, wie die Wellen, die nun erstorben
waren. Zum ersten Mal in dieser schrecklichen Ewigkeit, die mit dem Auftauchen der Monstrosität begonnen hatte, blinzelten die Männer, als sie sich von ihrem Anblick losrissen, um die Quelle des neuen Geräusches zu orten.
Sie teilten sich vor Miron wie eine menschliche Woge, gestatteten dem Priester, durch die Gasse zu schreiten. Der Wind rauschte in seinem Kielwasser, peitschte die Robe um seine Beine, als wollte er seine immer lauter werdende Stimme zum Schweigen bringen. Miron sprach daraufhin nur noch lauter, und sein Gesang, seine Gebete bestanden aus Worten, die zu rein waren, als dass jemand der Anwesenden sie hätte begreifen können. Er hob die Hand
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