Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
warst, dir in die Hose zu machen, um zu kämpfen.«
»Ich habe mir nicht …«
»Was hast du dann gemacht?«
Lenk wollte antworten, aber kein Wort kam über seine Lippen. Er war stumm, blind und taub, als die Bilder erneut durch seinen Kopf zuckten, die Worte in seinen Ohren hallten: die Porträts auf den Seiten des Buches, das Lächeln des Pergamentes, »Erlösung«, »BEWEG DICH!« . Ihm schwindelte plötzlich, aber er wagte nicht zu schwanken, um Gariath keinen Grund zu geben, sich erneut zu »vergewissern«.
»Schon gut«, knurrte Lenk. »Was auch immer es war, es berechtigt dich nicht, deinem Anführer ins Gesicht zu schlagen.«
»Anführer führen an; sie stehen nicht einfach herum und warten auf den Tod.« Gariath unterstrich seine Worte mit einem verächtlichen Schnauben, während er die Klaue zu einem seiner schwarzen Augen hob. »Heul später. Töte jetzt.«
Furcht und Frustration wichen mit einem tiefen, resignierten Seufzer von Lenk. Er sah zu Gariath hinüber; selbst im Angesicht eines derartigen Schreckens wie diesem schwarzhäutigen Feind, selbst vor einer solchen tödlichen Bedrohung war Gariath noch immer bereit für den Kampf. Seine Wunden und Schnitte drohten erneut aufzureißen, so sehr spannte er seine Muskeln an. Seine Haltung, das Zucken seiner Schwingen, die gekrümmten roten Klauen sagten Lenk, dass der Drachenmann sich darauf vorbereitet hatte, sich in das klaffende, mit scharfen Zähnen gespickte Maul des Todes zu werfen. Die einzige Frage, die in dem Blick lag, den sie wechselten, war, wer ihm ins Nachleben folgen würde.
Lenk hob unbewusst sein Schwert. Er sah sein Spiegelbild in den glänzenden Zähnen seines Gefährten. Sie kannten beide die Antwort auf diese Frage.
Gariath stieß ein donnerndes Brüllen aus, ließ sich krachend vor Lenks Füße fallen und griff auf allen vieren die riesige Kreatur an. Er hatte die Schwingen ausgebreitet, und sein Schweif peitschte hinter ihm durch die Luft. Lenk bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten, und folgte dem Drachenmann auf dem Fuß.
Die Monstrosität betrachtete sie mit neugierig geneigtem Kopf, als wäre sie sich nicht sicher, was da auf sie zustürmte. Bevor sie reagieren konnte, hatte Gariath sie mit einem unvermittelten Satz erreicht, sprang hoch und rammte der Kreatur die Hörner in den Leib. Der Aufprall erschütterte das ganze Schiff; die Kreatur taumelte, der Drachenmann sprang zurück und landete erneut auf allen vieren.
Lenk folgte ihm, stürmte vor, über Gariaths Rücken hinweg, als wäre dieser eine geflügelte Rampe. Mit einem Knurren sprang er von den Schultern seines Gefährten ab, und sein Schwert blitzte in der Sonne. Er holte zu einem weiten, mörderischen Schlag aus, um diese Monstrosität irgendwo an ihrem ausgemergelten Körper zu treffen.
Lenks Wut schlug augenblicklich in Verwirrung um. Er spürte, dass seine Klinge etwas traf, aber seine Füße landeten nicht auf den Planken. Er blickte hoch und riss den Mund vor Verblüffung auf, als er sah, dass seine Klinge von einer schwimmhäutigen Hand mitten im Schlag gefangen worden war. Langsam richtete er seinen Blick auf die Kreatur, die ihn mit unverändert starrer Miene betrachtete, während sie ihn mit einem langen schwarzen Arm hochhielt.
»Also … ja …«, stammelte Lenk.
Noch bevor er überhaupt auf die Idee kam, das Schwert loszulassen, gurgelte die Monstrosität gereizt auf. Das labberige Fleisch an ihrem Hals wabbelte. Es blitzte silbern und schwarz auf, als sie den Arm hob und ihn hinabsausen ließ. Lenk krachte auf die Deckplanken.
Er bekam keine Luft, und ihm war schwarz vor Augen, als er, an seinem Schwert festhaltend, erneut hochgehoben wurde. Er umklammerte unbewusst das Heft des Schwertes
mit verkrampfter Faust. Ihm schwanden die Sinne, sodass er kaum spürte, wie leicht sein Körper plötzlich wurde, als die Kreatur ihren Arm vorstieß und ihn durch die Luft schleuderte.
Im nächsten Moment kehrten seine Sinne wieder zurück. Schreie und furchtsames Keuchen drangen an seine Ohren, während er das Deck auf sich zusausen und seinen Fall bremsen sah. Bei dem Aufprall erzitterten sämtliche Knochen in seinem Körper.
»Leibhaftige Götter«, flüsterte er kaum hörbar, »wie bin ich nur darauf gekommen, dass es funktionieren könnte?«
»Und so wird es deutlich.«
Die Stimme war eine Narbe in seinem Hirn, eingeritzt mit krallenbewehrten Fingern, und das erstickte Gurgeln tat ihm in den Ohren weh. Lenk blickte hoch und richtete sich auf.
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