Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
schwarzhaarige Frau stand an der Reling neben ihr und rieb einen hellroten Apfel an ihrer Toga. Quillian hatte ihre Rüstung abgelegt, aber ihr Körper wirkte ebenso hart wie die Bronze, die sie getragen hatte. Ihre Haut war so weiß wie ihr Gewand, bis auf eine blutrote Stelle an ihrer Flanke.
Es waren Schandmale, wie Kataria bemerkte. Die leuchtend rote Schrift kündete von dem Gewerbe der Serrant, den Verurteilungen, die sie aus jener Priesterschaft ausschloss, die sie beschützte. Ihre Sünden und Vergehen waren ihr von der Achselhöhle bis zur Taille in grellen, herabsetzenden Tätowierungen in die Haut geritzt.
Kataria wandte die Augen ab; angesichts der Natur dieser Brandmale schien es ihr unhöflich, sie anzustarren. Normalerweise kümmerte sie so etwas nicht, aber im Augenblick hatte sie nicht einmal mehr die Kraft für einen Streit.
Falls Quillian ihren Blick bemerkt hatte, zeigte sie es nicht. Stattdessen biss sie von dem Apfel ab, kaute geräuschvoll, zog einen anderen Apfel aus einer Tasche ihrer Toga und bot ihn der Shict an.
Kataria hob eine Braue. »Hältst du jetzt so viel von mir, dass du mir etwas zu essen anbietest?«
»Nein.« Die Serrant machte sich nicht die Mühe zu schlucken, bevor sie antwortete. »Aber ich wollte diesen braven Männern die Schande ersparen, deinen Magen knurren zu hören.« Sie folgte dem Blick der Shict zu dem jungen Mann auf dem Deck unter ihnen. »Seid ihr beide ein Liebespaar?«
Kataria legte die Ohren an und musterte die Frau finster von Kopf bis Fuß. »Bist du blöd?«
Die Serrant zuckte mit den Schultern. »Zugegeben, es wäre das erste Mal, dass ich so etwas gehört hätte. Aber angesichts eures Mangels an Moral hätte es mich nicht überrascht. Ich kenne jedenfalls keinen Abenteurer, der oder die ihren Hauptmann auf diese Weise anstarrt.«
»Lenk ist nicht mein Hauptmann.«
»Ich hatte kurz überlegt, den Begriff Kommandeur zu benutzen, aber ich vermutete, dass du im Gebrauch der korrekten Titel zu unerfahren bist, um ihn zu kennen.«
»Er ist mein Freund.«
»Sagst du.«
Quillians Kaugeräusche waren deutlich zu vernehmen, während sie gleichgültig geradeaus sah.
»Du hast niemanden, um den du dir Sorgen machst?«, erkundigte sich Kataria.
»Ich habe das Privileg verloren, mich um jemanden zu sorgen, als ich mir das hier eingehandelt habe.« Sie fuhr mit der Hand über ihre tätowierte Seite. »Wer neben einem Serrant kämpft, kann gewöhnlich sehr gut für sich selbst sorgen. Und so wie dein Freund und Anführer heute gefochten hat, möchte ich behaupten, dass er mehr als das kann. Selbst wenn es idiotisch war, als er dieses … diese Monstrosität angegriffen hat.«
»Er ist kein Idiot!«, fuhr Kataria hoch. »Er hat versucht, alle zu beschützen, dich eingeschlossen.«
»Das Einzige, wovor ich beschützt werden muss«, Quillian
starrte die Shict aus zusammengekniffenen Augen an, »steht gerade vor mir.«
Kataria widerstand dem Drang, bissig zu kontern. Es war überflüssig.
»Ich sage nur, dass er ein guter Killer ist«, fuhr Quillian verächtlich fort. »Er und dieser Drachenmann haben eine Kreatur angegriffen, die eigentlich gar nicht existieren dürfte. Und nach dem, was ich gesehen habe, hat er mehr Piraten erledigt als jeder andere, sei es Mensch oder Drachenmann.«
»Lenk ist anders als die anderen Menschen. Er denkt nicht wie du.«
»Ich bin zwar entzückt, dass eine Shict sich so tief herablässt, einen Menschen zu achten, aber trotzdem fühle ich mich genötigt zu fragen: Wie denkt er denn?«
Kataria schüttelte den Kopf; die Antwort darauf wusste sie selbst nicht. Sie kannte den jungen Mann zwar gut genug, um seine Verhaltensmuster zu verstehen, so wie die eines Wolfes oder eines Hirsches. Sie wusste, was er mochte und was er nicht mochte, wusste, dass er etwas in ein Journal schrieb, wenig schlief, nur morgens badete und nur Wasser ließ, wenn er mindestens zweihundert Meter von allen anderen entfernt war. Warum er jedoch so dachte, wie er es tat, war ihr ein Rätsel.
Sie wusste nur, was er ihr gesagt hatte: In seiner Jugend war etwas passiert; seine Eltern waren nicht mehr am Leben. Sie fragte sich, wie er wohl vorher gewesen war.
»Umso besser«, kommentierte Quillian das Schweigen der Shict. »Ich glaube, ich will gar nicht wissen, wie ihr Degenerierten denkt.« Sie schluckte einen Bissen von dem Apfel herunter. »Argaol hat, wie ich höre, Rashodd lebend gefangen … um ein Lösegeld für ihn zu erzielen, mit dem er
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