Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
zielte oder auf seinen Oberkörper oder seinen Kopf. Eine so große Klinge war nicht sonderlich wählerisch.
Er duckte sich, mehr aus einem Reflex als aus einer Absicht heraus, ließ sich auf alle viere fallen und erwiderte ihren Angriff, indem er seine Hörner in ihren Magen hämmerte. Es war unmöglich, nicht unter dem Aufprall zu erschauern, nicht über die steinharten Muskeln zu staunen, gegen die er presste, als er sie zurückschob, einen einzigen winzigen, quälenden Schritt.
Als er seinen letzten Atem ausstieß, gaben seine Muskeln nach, versagten angesichts der Vergeblichkeit seines Tuns ihren Dienst, und sein Verstand musste sich anstrengen, um sich erinnern zu können, wann das hier einmal leicht gewesen war. Es war unmöglich sich einen Grund auszudenken, um weiterzumachen ... und noch schwieriger war es, ihr langes, lautes Lachen zu überhören.
»Also wirklich«, schrie sie, »wie willst du mich so töten?«
Es hätte nicht so schmerzen sollen, wie es das tat. Er konnte sich daran erinnern, dass er einst Schläge wie diesen einfach weggesteckt hatte. Doch ihr erster Hieb auf seinen Hals zwang ihn mühelos in die Knie. Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge, was er jedoch weit weniger deutlich registrierte als ihren zweiten Schlag. Es war ein sehr intimer Schlag, bei dem sich die drei von Metall gepanzerten Knöchel ihrer Hand in seine rote Haut gruben und eine empfindliche, zarte Stelle zwischen seinen Schulterblättern trafen.
Unmöglich . Seine Gedanken überschlugen sich, strömten
aus seinem Mund, als er heftig hustete. Ich habe keine empfindlichen Stellen.
Sein Rückgrat war anderer Meinung. Seine Wirbel klapperten gegeneinander, und die Sehnen verkrampften sich voller Schmerz bei der Wucht des Schlages, den er in seinem ganzen Rücken und bis in seinen Schädel spürte. Sein Hirn krachte gegen die Schädeldecke, und sein Körper stürzte polternd zu Boden.
Das ist noch nie passiert ...
Dass es überhaupt passierte, hätte ihn schockieren sollen. Aber es war schwierig für ihn, Schock, Furcht, Schmerz oder irgendetwas anderes zu empfinden. Denn jeder Fetzen seines Bewusstseins war vollkommen damit beschäftigt, seine Augen offen zu halten, dem Drang zu widerstehen, sich in der Dunkelheit schlafen zu legen, obwohl er nicht einmal wusste, warum. Wenigstens musste er das lange purpurne Gesicht nicht sehen, das höhnisch auf ihn herabblickte, als er jetzt gestürzt war.
»Du fängst es falsch an.« Ihre Stimme drang klar und scharf wie ein Messer in ihn.
Merkwürdig, aber er hatte nicht erwartet, dass es eine richtige Art zu sterben gäbe. Doch die Tatsache, dass er es falsch anfing, erklärte tatsächlich eine Menge. Er hätte diesen Gedanken ihr gegenüber möglicherweise auch erwähnt, wäre sein Hals nicht wie zugeschnürt gewesen.
»Es ist völlig in Ordnung, dass wir das machen, weißt du?«, erklärte sie. »Aber wir sind eben auch Niederlinge. Wir kommen aus dem Nichts. Wir kehren ins Nichts zurück. Wir leben. Wir vermehren uns. Wir töten. Wir sterben. Mehr gibt es nicht im Leben.« Sie beugte sich herab und tippte mit dem Finger auf seine rote Stirn. »Merk dir vor allen Dingen den dritten Teil, das mit dem Töten. Das ist wichtig.«
Ihre Kehle war direkt über ihm. Seine Hand würde genau darumpassen, sagte er sich, aber sie zitterte, weigerte sich, sich zu erheben.
Warum sollte sie auch?, fragte er sich. Was auch immer dein
Körper weiß, du weißt es nicht. Jetzt seid ihr beide erledigt. Es ist nichts mehr übrig.
»Aber Abschaum hat angeblich wichtigere Sachen im Kopf, was? Sie reden mit unsichtbaren Dingen, verbringen ihr ganzes Leben damit, irgendwelche Metallbrocken zu horten, statt sie zu Waffen zu schmieden; sie machen seltsame Sachen, wie zum Beispiel Getreide pflanzen und Nahrung lagern, um das alles dann jammernden Welpen zu überlassen, die nichts getan haben, um es sich zu verdienen. Was ich sagen will ... du hast Grund zu schreien, hab ich recht?«
Sein Atem kam pfeifend, zwängte sich durch eine zugeschnürte Kehle, die ihm gerade genug Platz ließ, um Luft zu holen, gerade genug Luft, um zu denken.
Sie töten, und was dann? Was bleibt übrig? Mehr töten, noch mehr töten, im Tod leben. Sterben, im Nichts leben ... aber mit nichts, worüber man nachdenken kann, worüber man sprechen kann, niemand, der noch verschwinden kann.
»Aber genau das fasziniert uns so. Uns Carnassiae, meine ich.« Sie warf einen Blick über die Klippen. »Und ein paar Männer.
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