Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
Volk. »Dann würdest du also sagen, es wäre in Ordnung, Blutvergießen zu vermeiden, wenn das nötig ist?«
»Ich würde sagen«, antwortete Lenk gedehnt, »dass Blutvergießen einen sehr schnell sehr ermüdet. Ich halte es keineswegs für eine lächerliche Idee, ohne Blutvergießen zu leben, falls das möglich ist.« Er lächelte schwach. »Gibt es nicht irgendwelche Dinge, die ohne Blutvergießen funktionieren?«
Er lachte hohl. Irgendwie konnten ihn seine Worte selbst nicht überzeugen.
»Ich bin sehr froh, dass du die Dinge so siehst.« Togu nickte, als er sich umdrehte und weiter am oberen Hang des Tals zu seiner Steinhütte ging. »Und jetzt bitte ich dich um Verzeihung, Vetter. Das Kampo ist für jemanden in meiner Position zu ermüdend. Ich sehe dich am Ende der Feierlichkeiten.«
Lenk nickte zögernd. Irgendwie klang Togu nicht sonderlich überzeugt.
Er beobachtete, wie Togu sich gegen die Woge von Owaukus stemmte, die zu den tieferen Terrassen des Tales strömten.
Die Worte des Königs lagen ihm noch in den Ohren, und ihre Unsicherheit wirkte ansteckend.
Lenk musste zugeben, dass er kein besonders guter Lügner war. Die Ehrlichkeit war ihm irgendwie angeboren. Aber es gab auch noch einen pragmatischen Aspekt; sie anzulügen war nicht besonders Erfolg versprechend.
Asper hatte genug Beichten abgenommen, um Lügen bereits zu erkennen, bevor sie ausgesprochen wurden. Draedaeleon stellte viel zu viele Fragen, als dass man mit einer Lüge bei ihm durchgekommen wäre. Gariath behauptete, in der Lage zu sein, Lügen zu wittern, und er hatte zumindest unter Beweis gestellt, dass er die Wahrheit aus Leuten, die er der Lüge verdächtigte, herausprügeln konnte. Denaos würde sich Lügen anhören, bedächtig nicken und dann wissend grinsen. Und Kataria ...
Sie glaubt dir, sagte er sich. Jedenfalls folgt sie dir, trotz allem. Die anderen drohen dir immer damit zu verschwinden, wenn sie ihren Willen nicht bekommen, und du sagst ihnen, es würde dich nicht kümmern, wenn sie es täten, und das ist auch die Wahrheit. Aber sie hat nie versucht, dich zu verlassen ...
Er schluckte schwer. Sein Mund fühlte sich trocken an. Die Freudenfeuer erzeugten plötzlich eine unerträgliche Hitze.
»Also, was wirst du ihr sagen, wenn sie es doch tut?«
»He!«
Er drehte sich herum und sah, wie sie durch die grünen Herden auf ihn zuwatete. Er blinzelte.
»He!«
»Nicht so erderschütternd, wie du gehofft hast, was?«
»Ich dachte, du wärst bei den anderen.« Kataria stieg vorsichtig über einen Owauku, der lachend vor ihr herumkullerte.
»Das ist wahrscheinlich keine gute Idee.« Lenk warf einen Blick auf die rosafarbenen Gestalten im Tal unter ihm. »Sie ...«
»Was willst du ihr sagen? Dass sie dich angesehen haben, wie sie das normalerweise tut, und du Lust hattest, sie zu erwürgen?«
»... gehen mir auf die Nerven.«
»Das ist zwar nicht ganz ehrlich, aber spielt wohl kaum eine Rolle. «
»Aber du kannst ihnen bestimmt Gesellschaft leisten.« Er ignorierte die Stimme.
Sie schüttelte den Kopf. »Asper und ich hatten eine Meinungsverschiedenheit.«
»Eine Meinungsverschiedenheit?«
»Ich habe sie mit einem Kakerlakenschenkel verprügelt.«
»Ach so.«
In dem Lärm der Feier, der vom Tal zu ihnen heraufdrang, breitete sich ein Schweigen zwischen ihnen aus, das sich irgendwie ungewohnt anfühlte. Trotz der wogenden grünen Masse unten im Talkessel, und obwohl Kataria neben ihm stand, konnte Lenk das Gefühl nicht loswerden, als wäre er allein.
»Das ist mal ein Gedanke.«
Jedenfalls fast allein.
»Warum solltest du dir die Mühe machen, ihr irgendetwas zu sagen? Haben so nicht all deine Probleme angefangen?«
Ich kann mich jetzt nicht um dich kümmern.
»Warum genießt du nicht einfach die Feier? Kann es nicht auch Dinge geben, über die man sich nicht streiten muss?«
Ich nehme an ... das ist einleuchtend.
»Du hast das selbst gesagt, hab ich recht?«
Habe ich. Und da klang es auch einleuchtend. Er lächelte. Ich sollte mich entspannen!
Ein kalter Windstoß fegte über den Hügelkamm.
»Schwachsinn.«
Lenk zitterte in der Kälte. Dass ihre Hand auf seine Schulter fiel, hätte dieses Zittern beenden sollen, tat es aber nicht. Jedenfalls nicht, bis er sich herumdrehte und ihr in die Augen blickte.
Danach hatte er das Gefühl, zu zittern und in tausend Stücke zu zerbrechen.
In ihrem Blick lag eine Gewissheit, die schmerzte. Was sich
in ihren Augen spiegelte, war genau das, was er
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