Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
Vom Netzwerk:
nachdem sie den Schatten des gigantischen Skeletts und des gewaltigen Friedhofs in der Schlucht hinter sich gelassen hatten. Der Ältere wurde plötzlich wie der Wind, nicht greifbar, schwer zu sehen und höchst launisch.
    Außerdem redet er auch mehr , dachte Gariath gereizt. Und er ist erheblich lästiger als der Wind.
    Jede Hoffnung auf Kommunikation hatte er längst aufgegeben. Der Geist verschwand, wenn Gariath versuchte, ihn anzusehen, erwiderte seine Fragen mit Schweigen, unsinnigem Geplapper oder grölenden Liedern.
    »Damals haben wir auch immer gesungen«, murmelte er. »Damals hatten wir auch noch Grund dazu. Mehr Geburten, mehr Jungen. Wir haben nur getötet, um zu fressen. Überleben war kein so großes Problem wie heutzutage.«
    Gariath musste zugeben, dass er nicht ganz sicher war, wie Senilität sich bei jemandem auswirkte, der schon lange tot war, aber er war bereit, den Älteren für senil zu erklären. Das Skelett war ganz offensichtlich die Ursache dieses Anfalls, weitere Einzelheiten jedoch erfuhr Gariath auch nicht durch ständiges Nachfragen, und schließlich verlor er das Interesse.
    Er war nicht mehr wichtig für ihn, obwohl er seine Stimme immer noch in den Ohrlappen hatte. Jetzt jedoch endete der Wald am Strand, und die Bäume wichen immer mehr dem Sand. Nun ignorierte Gariath sowohl den Anblick des Älteren als auch sein Geplapper und konzentrierte sich nur noch auf den Duft.
    Denn jetzt jagte er eine Erinnerung.
    Es war ein sehr schwacher Duft, nur ein Hauch, der seine Nüstern zu streicheln schien, wenn er so tief wie möglich inhalierte; wie ein Nachsatz, gemurmelt von den vertrockneten Lippen eines schon längst gestorbenen Vorfahren. Aber er war da, der Geruch von Rhega , waberte durch die Luft, stieg vom Boden auf, drang übers Meer. Es war ein selbstbewusster Geruch, der sich nicht um Erde, Luft und Wasser kümmerte. Er war schon lange da und würde auch noch hier sein, wenn Wind, Luft und Wasser nicht einmal mehr den Unterschied zwischen einander erkennen konnten.
    Er hätte ihn am liebsten angeschrien.
    Es drängte ihn, Hoffnung zu empfinden, es war ein verzweifeltes Verlangen, das ihn infiziert hatte, als er diesen
Duft das letzte Mal eingeatmet hatte. Er wollte brüllen und ihn den Strand herunterjagen. Er widerstand dem Impuls. Er versagte sich Hoffnung. Der Geruch war nur ein vorübergehender Gedanke. Er wagte nicht zu hoffen, bis er ihn wirklich aufgespürt hatte und die Erinnerungen in seinen Nüstern fühlte.
    Es war noch Zeit genug für Hoffnung, wenn er die Rhega wiederfand.
    »Weisester«, flüsterte der Geist.
    Gariath hielt inne, wenn auch nur deshalb, weil er zum ersten Mal seit Stunden seinen Namen von den Lippen dieses Gespenstes hörte.
    »Dein Weg liegt hinter dir«, flüsterte er. »Vor dir findest du nur Tod.«
    Gariath ignorierte ihn und ging weiter den Strand entlang. Selbst wenn das kein müßiges Geplapper war, Gariath hatte dasselbe bereits häufiger gehört. Und jeder, der von seinem unmittelbar bevorstehenden und unausweichlichen Tod überzeugt gewesen war, hatte sich zu seiner endlosen Enttäuschung bislang stets geirrt.
    Und doch, was seine Ohren nicht hören wollten, konnte seine Nase nicht leugnen.
    Zerborstene Felsen, ausgetrocknete Flüsse, totes Laub, verfaulende Rinde ... die Gerüche drangen ihm ungebeten in die Nase, zupften an seinen Sinnen und verlangten nach Aufmerksamkeit. Der Geruch, den er zu wittern hoffte, war schwer aufzuspüren, und es war schwierig, sich auf die Quelle, der er folgte, zu konzentrieren.
    Jedes Mal, wenn er an seinen Nüstern vorbeiwehte, mit jedem Hauch des Verfalls und des Alters wurde er an die Stunden vor diesem Augenblick erinnert, an den Kampf am Rand der Schlucht.
    An die Echse ...
    Immer wieder kehrte sein Verstand zu diesem Augenblick zurück, ganz gleich, wie sehr er sich auch widersetzte. Er dachte an den großen grünen, von Kopf bis Fuß tätowierten
Reptilienmann, der einen Bogen in einer Hand hielt und grüßend die Hand hob. Er sah das eine gelbe Auge der Kreatur. Er hatte ihre Stimme gehört und ihre Sprache verstanden. Er hatte den Geruch der Kreatur gewittert und ihren Namen gewusst.
    Shen.
    Woher wusste er ihn? Wieso wusste er ihn immer noch? Die Kreatur hatte ihn angesprochen, ihn Rhega genannt. Wie war das möglich? Es gab nicht einmal mehr genug Rhega auf dem Festland, geschweige denn auf irgendeinem vergessenen, im Meer dümpelnden Friedhof, die hätten erklären können, wieso dieses Ding ihn

Weitere Kostenlose Bücher