Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
getan! Das ist nicht fair! Erst sie und jetzt ... diese hier. « Sie konnte sich daran erinnern, wie eine Hand zärtlich über ihre Wange gestrichen hatte. »Bitte, Silf, Talanas ... irgendeiner von euch Göttern! Ich verdiene es, das weiß ich, aber sie nicht! Ebenso wenig wie sie es verdient hatte! Bitte, bitte, es tut mir leid, es tut mir leid ...«
»Wer war sie?« Die Worte sprudelten aus ihrem Mund, ungebeten, im Kielwasser jener Stimme, die sich sporadisch aus ihrer Erinnerung erhob.
»Was?« Er hörte auf, sie hochzuziehen, und sah auf sie herab. Seine Maske zerbrach vollkommen, schien in dicken weißen Scherben auf den Sand zu fallen. Was blieb, waren der harte Blick dunkler Augen und zusammengepresste Lippen. »Was hast du gesagt?«
»Sie ... die Frau, von der du gesprochen hast.« Asper zog sich an seiner Hand hoch. »Du hast dich unaufhörlich entschuldigt.«
»Nein, habe ich nicht.« Er ließ ihre Hand los. »Woher willst du das überhaupt wissen? Du warst ohnmächtig.«
»Trotzdem kann ich mich daran erinnern. Ich muss teilweise doch bei Bewusstsein gewesen sein, und ...«
»Nein, warst du nicht.« Seine Stimme klang scharf wie ein Rasiermesser. »Ich habe dich bewacht. Du warst bewusstlos, und du bist nicht aufgewacht, nie.« Er wandte sich abrupt von ihr ab. »Ich werde jetzt selbst etwas schlafen. Kümmere du dich um Dread.«
Sie sah ihm nach, bis er sich drei Schritte von ihr entfernt hatte, bevor sie ihre Sprache wiederfand.
»Was immer es dir bedeuten mag«, sagte sie, »ich bin sicher, dass sie dir verzeiht.«
Er drehte sich schwankend zu ihr herum, wie ein Bettler, der zwei Wochen lang gehungert hatte. Dann betrachtete er
sie einen Augenblick vollkommen ausdruckslos und ging dann mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Eher verwirrt als zögernd ließ sie sich von ihm umarmen. Aber seine Arme waren nicht warm, sondern fühlten sich unangenehm hart an.
Sie schnappte nach Luft, als sie das Messer spürte, das sich wie eine Schlange unter ihrer Robe hochschlich und mit stählernen Lippen ihre Nieren küsste. Die Bedrohung durch diese Waffe wurde noch deutlicher, weil sie kaum ihre Haut streifte.
»Du...« Er flüsterte, und seine Stimme klang wie eine stumpfe Schneide. »Sprich nie wieder von ihr.«
»Du...« Sie schluckte schwer. »Du hast gesagt, du hättest keine Messer mehr. Du hast gelogen.«
»Nein!«, stieß er erschüttert hervor und warf ihr einen spöttischen, ungläubigen Blick zu. »Ich?«
Im nächsten Moment trat er von ihr fort und ging davon. Er hielt sich gerade und straff und schüttelte seine Drohung wie einen Umhang ab. Er fiel auf die Scherben seiner Maske, und während Asper mit offenem Mund auf seinen Rücken starrte, beschlich sie das Gefühl, dass er bereits dabei war, eine andere Maske zu formen, die er aufsetzen konnte.
Ein warmer Wind wehte über den Strand. Die Sonne schwieg. Ihr linker Arm begann zu schmerzen.
Nach sorgfältiger Überlegung sank eine einsame Möwe auf den warmen Luftströmen, welche die Insel kreuzten, herab und landete auf dem Sand. Sie pickte auf dem Strand herum. Ihr einfacher Verstand erinnerte sich daran, dass sie diese Gegend schon einmal besucht hatte. Es war eine öde Insel, auf der es wenig zu fressen gab. Aber ihr primitives Gehirn sagte ihr, dass es hier alle möglichen Arten von Trümmern gab, die sie auf diesen Gestaden vorher noch nicht gesehen hatte. Aus diesem Grund hüpfte sie neugierig weiter und pickte auf den verschiedenen Holzstücken herum.
Ein Schatten erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie blickte
hoch. Sie erinnerte sich an diese zweibeinigen Dinge, so wie dies, das nicht weit von ihr entfernt saß. Sie erinnerte sich daran, dass sie vor ihnen fliehen sollte. Sie spreizte ihre Flügel, um abzuheben.
Und wurde sofort mit einem unsichtbaren Griff festgehalten.
»Nein, nein«, flüsterte Draedaeleon und zog seinen Arm zurück. Seine Macht zog die Möwe dichter zu ihm, während der Vogel panisch versuchte zu flüchten. »Ich brauche dein Gehirn.«
Er zischte vor Frustration. Er hatte nicht erwartet, dass es so lange dauern würde, einen dieser dummen Vögel zu fangen, die eigentlich den Strand wie geflügelte Ratten bevölkern sollten. Die Gereiztheit verflog sofort, als der plötzliche Schmerz in seinem Unterleib aufflammte.
Er keuchte kurzatmig, seine Hand zitterte, und die Möwe konnte sich ein wenig bewegen, als seine Aufmerksamkeit sich auf die Schmerzen richtete, die jetzt in seiner Brust aufstiegen.
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