Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
wieder zu ihr zurück und schüttelte den Kopf.
»Das sind sie nicht. Nicht mehr.«
An Abgebrühtheit auf dem Schlachtfeld war sie gewöhnt. Gefühle konnten einen schnell das Leben kosten, ebenso wie Mitleid. Sie hatte sich selbst vor langer Zeit dagegen abgehärtet, sich eingeredet, dass es nötig war, wenn sich ihre Gefährten so benahmen, wenn sie über Leichen treten und ruhig ihre Waffen in die Brust der Feinde rammen konnten, die noch lebten.
Aber das hier zu sehen, mitzuerleben, wie jemand so kalt, so gefühllos und so offenkundig ungerührt von dem Anblick dutzender Kreaturen sein konnte, die vor seinen Augen bei lebendigem Leib verzehrt wurden …
Asper fehlten die Worte. Asper wollte auch keine Worte. Und Dreadaeleon stand da, summte nachdenklich, ohne auf ihr Entsetzen zu achten, so wie er auch auf nichts anderes achtete.
Dann schnippte er mit den Fingern. »Aber natürlich!«
Jedenfalls auf fast nichts anderes.
Als sie endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte, war er schon davongestürmt, verschwand in einem weiteren dunklen Gang am gegenüberliegenden Ende des Raumes. Sie hatte die Öffnung in dem roten Licht nicht einmal bemerkt und verspürte auch keinen besonderen Drang, ihm zu folgen. Aber er war immer noch Dread, war immer noch der Jüngling, den sie kannte.
Also ging sie an dieser Galerie von ausgetrocknetem Fleisch und blutleeren Körpern vorbei, deren blinde, leere Augen sie ausdruckslos anstarrten. Sie versuchte, sie zu ignorieren. Und versuchte, sich dafür nicht zu hassen.
Die Höhlenwände wurden immer gröber, je weiter sie vordrangen, und bildeten einen auffälligen Kontrast zu den glatten Wänden der vorherigen Kammern. Es wirkte fast, als wären die Steine hier nicht mit Werkzeugen herausgehauen, sondern einfach herausgebissen worden. Diese Höhle war größer, primitiver und viel, viel dunkler.
»Dread?«, rief sie. »Wo bist du?«
Er antwortete nicht. Jedenfalls nicht ihr.
»Erstaunlich.«
Es war ein schwaches, leises Flüstern. Eines, dem zu folgen ihr größtes Unbehagen bereitete.
Sie folgte ihm trotzdem. Und während sie es tat, wurde der Lichtschein am Ende des Tunnels allmählich größer. Es lockte sie nicht; dafür schimmerte es viel zu schwach, war das Licht viel zu kalt, viel zu purpurn. Vielmehr sandte es eine Warnung aus, drohte ihr, riet ihr, ihren Freund zu nehmen, der davor stand, und zu verschwinden. Aber was auch immer dieses Licht ihr sagte, es sagte es offenbar nicht zu Dreadaeleon.
Er stand im Mittelpunkt einer Höhle, ein Schatten im Schatten, und starrte in die Dunkelheit, zu etwas hinauf. Was genau es allerdings war, wusste sie nicht.
Es breitete sich aus wie eine Prellung in der Luft, ein hässlicher Fleck, purpurn und schwarz, der sich in unmögliche Richtungen ausdehnte und dessen Form ihr in den Augen wehtat. Er war viel zu hoch, viel zu breit, viel zu seltsam geformt. Es war, als hätte jemand einfach nur ein gezacktes Messer in die Luft gerammt und es dann in der Wunde gedreht; das hier war das Blut, das aus der Schöpfung selbst troff.
Es zuckte wie ein lebendes Ding, das in einem riesigen Rahmen aus Eisenstangen hing, die es hielten. Aus den Stangen ragten Haken heraus. Sie durchbohrten diese ungeheure, nebulöse Masse, zogen die Ränder der Wunde an Ketten zurück und hielten sie weit geöffnet. Als wäre sie ein auf einen Rahmen gespanntes Porträt in einer Ausstellung.
Nein, kein Porträt, dachte sie.
Porträts bewegten sich nicht.
Sie sah sie, in diesem wie eine böse Wunde wirkenden Purpur, in dem Blut. Sie konnte sie sehen. Bilder zuckten mit schizophrener Unberechenbarkeit darin auf, als versuchte dieses Ding, sie alle gleichzeitig zu zeigen. Hier einen Wald mit großen schwarzen Säulen anstelle von Bäumen, die sich zu einem sonnenlosen Himmel erhoben. Dort gedrungene vierfüßige Kreaturen, die durch den Schatten sprangen und wirr in der Dunkelheit lachten. Hier Feuer, Essen und das Hämmern von Metall. Dort Gebrüll, das Geheul von Schlachtrufen und Gesänge.
Und überall, in jeder Vision, an jedem Fleck, wo keine Dunkelheit herrschte, waren Niederlinge. Zu Tausenden und Abertausenden.
Es war kein Porträt.
Es war ein Portal.
»Das ist es, verstehst du?«
Asper fragte nicht und sah ihn nicht an. Sie konnte nicht ertragen, die Antwort zu hören, konnte ihren Blick nicht von dem Anblick losreißen.
»Das hier beantwortet nahezu alle Fragen über die Langgesichter«, fuhr Dreadaeleon fort. »Warum niemand sie gesehen
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