Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
man es hätte ersticken können. Es brannte durch die Dunkelheit, heller als selbst die Flammen, die lautlos hinter ihm fauchten. Sein Blick drängte sich Lenk auf, wollte ihn zwingen, den Kopf zu senken, wollte ihn brechen.
Es gelang ihm nicht.
Er brach nicht.
»Du hast es nicht geschafft, mich dazu zu zwingen.«
»Wozu?«
»Ich habe dich gehört. Ich habe jedes Wort von dem gehört, was du gesagt hast. Ich hatte bereits das Schwert in meiner Hand, über ihrem Kopf.« Er versuchte in der Dunkelheit, sich an das Gefühl zu erinnern, an das Gewicht der Waffe. »Sie hat sich nicht bewegt. Du hast mich angeschrien, zusammen mit den anderen Stimmen, und ich konnte … ich konnte euch verstehen, aber …«
Er sah zu dem Mann hoch. Er blickte ihm in die brennenden, fließenden, strahlend blauen Augen. Und er lächelte, als wäre er erfreut.
»Trotz allem, trotz allem, was ich fühlte und was du mir erzählt hast, konntest du mich nicht dazu bringen, sie zu töten.«
Die Augen des Mannes wurden größer. So groß, dass sie weiter blicken konnten, in die Zukunft, dass sie Worte voraussahen, die über Lenks Lippen kommen würden, nur einen Moment später, getragen von einem atemlosen Seufzer, den er seit Jahren zurückgehalten hatte.
»Du kannst mich nicht beherrschen.«
»Hör auf.«
»Du hast keine Macht.«
»Du brauchst mich.«
»Du kannst nichts tun.«
»Sie wird dich töten.«
»Du kannst ihr nichts antun.«
»Sie werden dich töten.«
»Und mir auch nicht.
»Du kannst nicht einfach …«
»Niemandem.«
»Wir müssen immer noch …«
»Nein.«
» HÖR ZU …«
»Es ist vorbei.«
Dunkelheit.
Es gab gewiss bessere Worte dafür, wie sie sich anfühlt, diese vollkommene Leere, die zurückbleibt, wenn etwas Großes und Schreckliches verschwunden ist. Aber vielleicht würde es niemals ein Wort für das geben, was er empfand, als er auf die Stelle blickte, wo der Mann vor den Flammen und den Schatten gesessen hatte. Trotzdem nannte er es Dunkelheit.
Und er fiel hinein.
Ein Schatten.
Licht.
Und dann noch ein Schatten.
Erst einer. Dann ein weiterer, und dann beide abwechselnd in einer endlosen, stummen Flut. Sie kreisten unter dem Licht, sie jagten sich, ohne es besonders eilig zu haben. Ihre Schwingen waren wie Wasser, schwarze Haut, auf der sich silbernes Licht kräuselte, als sie sich ihren Weg zwischen den Sternen suchten und durch ein Loch in die Welt hinabblickten.
Irgendwo im Abgrund hatte sich die Erde über seinem Kopf geöffnet. Sie hatte einen Hauch zu viel Licht hereingelassen, als dass sich der Kelp und die Korallen hätten wohlfühlen können. Sie scheuten davor zurück, lauerten im Schatten, während die Sterne über ihnen hinabblickten, sahen, was er sah, und beobachteten, wie die beiden Rochen sich über seinem Kopf umkreisten, ohne sich besonders dafür zu interessieren, was er tat. Oder dafür, ob er sich jemals von diesem sandigen Grab, auf dem er lag, erheben würde.
Eine Weile interessierte er sich ebenfalls nicht dafür.
Also lag er da, wie er gelegen hatte, seit er erwacht war. Es war nicht so, dass er nicht hätte aufstehen können. Er fühlte sich leicht, unerträglich leicht, als würde er von jeder Strömung, die möglicherweise kam, weggespült werden können. Einer Strömung, welche die Rochen so mühelos durch das Sternenlicht trug.
Aufrecht zu stehen dagegen kam ihm ziemlich waghalsig vor.
»Du kannst jetzt aufstehen.«
Wie waghalsig es auch sein mochte, er blickte vom Sand hoch, vorbei an seiner Brust, an seinem Bauch, zwischen seinen Füßen hindurch. Sie saß nicht weit von ihm entfernt unter dem fahlen Starren der Sterne, unter dem neidischen Wogen eines kleinen Büschels von purpurnem Kelp.
Licht und Schatten spielten auf ihr. Die nackte Haut ihrer Schultern schimmerte silbern im Licht, hob sich von den schwarzen Lederbändern ihres Harnischs ab, jagte übermütig das Sternenlicht davon, so wie das Sternenlicht wiederum sie jagte.
Wie die Rochen.
Er konnte ihre Augen sehen. Hell und grün, wie etwas, das hier unten in der Dunkelheit eigentlich nicht existieren sollte. Sie sah ihn nicht an. Sie starrte in den Sand. Sie deutete auf ihre zuckenden Ohren.
»Deshalb weiß ich es«, erklärte sie. »Du atmest anders, wenn du schläfst, als wenn du wach bist. Ich kann es hören.« Sie lächelte traurig. »Das immerhin weiß ich von dir.«
Er stand auf. Es fiel ihm schwer. Die Erde bewegte sich unablässig unter ihm, und der Himmel schien sich über ihm in die
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