Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
Vom Netzwerk:
gepflückt hatte, allerdings ohne besonderen Genuss.
    Es war irgendwie schwierig, eine Mahlzeit zu genießen, die einem von einer Bande zweibeiniger Reptilien kredenzt wurde, die noch vor wenigen Augenblicken scharf darauf gewesen waren, ihn zu töten. Selbst wenn sich besagte Reptilien jetzt um kleine Lagerfeuer am Fuß der Steintreppe scharten, selbst wenn sie ihn mit Nahrung versorgt hatten, starrten sie ihn doch nach wie vor misstrauisch an. Ihre Waffen lagen immer griffbereit neben ihnen.
    Ihr Anführer war nicht weniger beunruhigend und zudem doppelt so frustrierend. Kurz nachdem er seine Verbindung mit der Organisation enthüllt hatte, die ihn in diesen Wochen zu ebendieser Insel geführt hatte, war Mahalar ohne ein weiteres Wort verschwunden. Seine grünhäutigen Brüder hatten einfach nur mit den Schultern gezuckt. »Mahalar weiß«, hatten sie gesagt, als wäre ein solches Verhalten vollkommen normal. Vielleicht war es das auch, zumindest für halb verweste Echsenmänner, die bei jedem Wort eine Staubwolke ausstießen.
    Doch das alles hätte Lenk noch hingenommen. Lenk hätte den Fisch genossen. Lenk hätte sich über diese warme Mahlzeit freuen können und über die Tatsache, dass er nicht länger unmittelbar Gefahr lief, enthauptet zu werden. Lenk hätte in Erinnerungen an den Geruch von Schweiß und Sand aus dem Abgrund schwelgen können.
    Er hätte all das auch liebend gern getan.
    Wären da nicht die Statuen gewesen.
    Er konnte es nicht erklären, dieses Gefühl, das ihn beschlich, wenn er zu den zerschmetterten und zerbrochenen Frauen blickte. Sie bestanden zwar nur aus Stein, altem verfallenem, zerbröselndem Stein. Aber sie hassten ihn. Sie verachteten ihn mit einer Inbrunst, die sie in ein Lächeln kleideten, einer Inbrunst, die sich hinter diesen Augen verbarg, die in diesen ausgestreckten, scheinbar wohlwollenden Handflächen steckte. Die Fische wussten es. Aus diesem Grund schlugen sie einen großen Bogen um die Statuen, wenn sie vorbeischwammen.
    Er hatte sich gerade umgedreht und wollte sich damit zufriedengeben, ihrem Beispiel zu folgen, als er das Knirschen hörte. Er blickte hoch und sah, wie sich steinerne Augen in steinernen Augenhöhlen drehten. Hoch über ihm auf dem Schutthaufen, wo ihr zertrümmerter Kopf lag, richtete die Statue ihre Blicke auf ihn.
    Das Knirschen wurde zu einem Ächzen, uralter Granitstaub rieselte von vielen Schultern, als die zahlreichen Köpfe der Statuen sich zu ihm drehten. Dann steigerte sich das Stöhnen zu einem Krachen, das zu einem Donnern anschwoll, als sich ihre vielen steinernen Münder öffneten. Sie sprachen mit alten, hasserfüllten steinernen Stimmen.
    »Ich habe dir eine Chance gegeben. Ich habe dich laufen lassen. Ein zweites Mal werde ich das nicht tun.«
    Er blinzelte.
    Die Statuen waren wieder einfach nur Stein. Keine Augen bewegten sich, keine Lippen, es ertönten keine Stimmen. Er hob den halb gegessenen Fisch hoch und musterte ihn argwöhnisch.
    »Er ist nicht vergiftet.«
    Gleichzeitig mit diesen Worten drang der Geruch von brennendem Staub zu ihm. Lenk drehte sich um und sah die Kreatur in ihrem schmutzigen Umhang vor ihm stehen.
    »Was du gesehen hast, war keine Halluzination.«
    Mahalar senkte den Kopf. Bernsteinfarbene Augen, matt und glasig, starrten ihn aus dem Dunkel seiner Kapuze an.
    »Sie erinnert sich an dich.«
    Lenk hätte sich fast an einem Stück Fisch verschluckt.
    »Du hast es gesehen …?«
    Mahalars Blick glitt zu einer der Statuen von Ulbecetonth. Er seufzte und stieß eine Staubwolke aus. Unter ihm erhoben sich winzige Finger aus Sand, um die Staubwolken zu ergreifen und sie auf den Sand hinabzuziehen wie etwas Kostbares.
    »Ich habe sehr lange gelebt«, antwortete er, als ihm auffiel, wie Lenks Blick zu Boden glitt. »Die Erde und ich sind verschmolzen, und sie kann sich nicht mehr an eine Zeit ohne mich erinnern. Oder ich ohne sie. Wir sind beide immer schon hier gewesen.
    Wenn man mit jemandem sehr lange gelebt hat«, murmelte er, »dann fallen einem bestimmte Dinge auf. Die Falten, die auftauchen, wenn sie lächelt, die Art, wie ein bestimmtes Lachen von ihr einen verärgern kann. Ich habe sehr lange mit der Krakenkönigin gelebt. Ich habe sie schreien hören. Ich habe gespürt, wie sie am Dach der Hölle gekratzt hat. Ich habe sie weinen hören. Ich kenne ihr Lachen. Und ich kann nicht umhin zu hören, wenn sie nach ihren Kindern ruft.
    In letzter Zeit ruft sie häufiger.« Er drehte sich wieder zu Lenk herum.

Weitere Kostenlose Bücher