Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
blieb stumm.
»Immerhin haben wir nicht gerade sonderlich viele Alternativen«, schloss Kataria und bemalte sich weiter. »Wir müssen es so machen.«
»Mir hat Shalakes Idee gefallen, Sheraptus aus der Deckung des Waldes anzugreifen.«
»Sobald der merkt, was im Busch ist, und das wird er genau in dem Moment, wenn die ersten Pfeile durch die Luft fliegen, wird er anfangen, Feuer zu schleudern. Ein brennender Wald ist eine Todesfalle, Lenk. Dort werden Krieger sterben, die wir an anderer Stelle dringend brauchen.« Sie atmete langsam und tief ein. »Nein. Ein Krieger, ein Schuss, mehr ist nicht nötig. Mitten in den Hals. Bevor er es überhaupt merkt. Dann laufe ich weg.« Sie nickte. »Ein Schuss. In den Hals. Bevor er es merkt. Dann laufe ich weg.«
Sie wiederholte jedes Wort, sprach jede einzelne Silbe sehr sorgfältig aus, bis es fast zu einem Mantra wurde. Sie wiederholte das Mantra, bis es eine Abmachung mit einer Göttin wurde, die in sehr weiter Ferne zuhörte.
Sie war sehr zerbrechlich, wenn auch nur in diesem Moment. Wenn auch nur, weil sie es weder sich selbst noch ihm gegenüber zugeben wollte. Statt also auszusprechen, was er dachte, behielt er seine Gedanken für sich.
Es muss einen anderen Weg geben, dachte er. Ich meine, Shalake kennt den Wald. Er kann einen Platz finden, der … nicht brennt … in einem Wald. Na gut, vielleicht hat sie recht. Aber es muss trotzdem einen anderen Weg geben. Denn auf diese Art und Weise werden wir niemals gewinnen, oder?
Er brauchte einen Moment, bis ihm wieder einfiel, dass ihm diesmal niemand antworten würde.
Es gibt immer noch die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, gestand er sich ein.
»Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, wie schnell wir immer weglaufen?«
Es war nicht das erste Mal, dass Lenk argwöhnte, ihre Ohren wären vielleicht sogar groß genug, um zu hören, was er dachte. Sie starrte mit ernster Miene in ihr Spiegelbild.
»Immerhin sind wir keine Feiglinge oder so etwas … oder jedenfalls nicht die ganze Zeit. Wenn wir weglaufen, ist es immer sinnvoll, weil wir entweder zahlenmäßig unterlegen sind oder in Gefahr schweben oder so etwas.« Sie blickte vom oberen Treppenabsatz über Jaga bis zu der fernen Küste. »Wir könnten uns vielleicht sogar einen Weg aus diesem Schlamassel ausdenken, wenn wir das wirklich wollten; wir würden eine Möglichkeit finden wegzulaufen, den Kampf den Shen zu überlassen und hoffen, dass schon irgendwie alles gut gehen wird.«
Sie sah ihn an.
»Wahrscheinlich hast du dir längst einige Möglichkeiten überlegt.«
Wir können einen Shen töten und sein Boot stehlen, wir können Hongwe töten und sein Boot stehlen, wir können genug Shen und wahrscheinlich auch Hongwe töten, um sie zusammenzuschnüren und ein Boot aus Leibern zu machen. Wir könnten fliehen, indem wir ein Segel benutzen, das wir aus ihrer Haut gemacht haben.
»Auf die Idee bin ich wirklich noch nicht gekommen«, antwortete er schlicht.
»Sei dem, wie es will, es gefällt mir jedenfalls, dass du es nicht angesprochen hast.«
»Und warum?«
»Aus mehreren Gründen«, meinte sie und zuckte mit den Schultern. »Vor allem, nehme ich an, weil es einige Dinge gibt, vor denen man nicht weglaufen kann. Ich habe es versucht.« Sie betrachtete ihr Spiegelbild kritisch. Ihr Gesicht war von roter Farbe bedeckt, die dunkel genug war, um als Blut durchgehen zu können. »Ich habe es wirklich versucht.«
»Und, war es den Versuch wert?«
Sie sah ihn an. Eine Weile musterte sie ihn einfach nur.
»Das zum Beispiel scheint etwas zu sein, wovor wir nicht weglaufen können«, sagte sie schließlich. »Etwas, wovor wir nicht weglaufen sollten.« Sie streckte die Hand aus. »Dämonen erheben sich aus der Unterwelt. Die Niederlinge kommen aus ihren Löchern, um sie zu bekämpfen. Keiner von beiden hat ein Problem damit, wenn wir sterben. Wenn wir sie nicht beide aufhalten, werden noch viel mehr Leute dabei draufgehen.«
»Wir haben sehr viele Leute sterben sehen«, erwiderte Lenk. »Und wir haben sehr viele von ihnen eigenhändig umgebracht.«
»Es muss einen Grund dafür geben«, sagte sie. »Abgesehen von Geld und Selbsterhaltungstrieb. Es muss einen guten Grund dafür geben, dass wir tun, was wir getan haben, selbst wenn wir es noch nicht gemacht haben. Denn wenn es immer nur um Geld geht …«
Sie beendete diesen Gedanken nicht laut. Ihre finstere Miene machte das mehr als überflüssig.
Es fiel Lenk schwer, sie so verletzt zu sehen. Also
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