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Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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Ältesten der Shen und die eindringliche Art und Weise, mit der er Lenk unter seiner Kapuze anstarrte, waren in diesem Moment zweifellos nicht das Merkwürdigste an ihm.
    »Es erinnert sich nicht an dich.«
    Der Shen erhob sich, schlurfte zum Rand der Brücke, beugte sich vor und ließ seine Hand beiläufig ein paar Fingerbreit über dem Wasser baumeln.
    Und wie eine Katze, die sich freut, ihren Herrn zu sehen, erhob sich das Wasser zu dem Shen. In flüssigen Tentakeln stieg es aus dem Becken, liebkoste seine Finger, lief über die uralte Haut und die blanken Knöchel seiner Hände.
    Lenk zuckte zusammen. Das war genau die Art Frage, die er bedauern würde. Trotzdem …
    »Wie kann das sein?«
    »Es war da. Vor Äonen. Und ich auch.« Er deutete mit einem seiner knochigen Finger auf die Sturmwolken, die den Berggipfel umkreisten. »Von dort.«
    »Regen tut … so etwas nicht«, meinte Lenk.
    »Regen berührt die Erde, wird von ihr getrunken und ist verschwunden.« Mahalar nickte. »Etwas von diesem Wasser berührt die Erde und fließt unter die Berge. Du hast es im Schlund gesehen.«
    Lenk nickte. Er erinnerte sich an den riesigen Tunnel, aus dem Kataria und er entkommen waren; dort hatte das pechschwarze Wasser gestanden, hatte sich bis in eine finstere Unendlichkeit erstreckt.
    »Solch dunkle Orte verlaufen unter dem Berg. Das Wasser hier erinnert sich an nichts anderes als an Dunkelheit … oder an sie. Es ertränkt. Es tötet. Dieses Wasser …« Er streichelte die flüssigen Tentakel, die seine Hand bewundernd zu umschmeicheln schienen. »Dieses Wasser berührt keine Erde. Es verharrt zwischen Himmel und Erde.«
    Er holte tief Atem und stieß eine Staubwolke aus, die sich auf das Wasser legte. Die Flüssigkeit schreckte davor zurück, schien diesem Irdischen mit Argwohn zu begegnen.
    »Es ist das Blut der Seemutter«, meinte Mahalar. »Zu rein für Sterbliche.«
    »Das bedeutet, du bist … was?«
    »Sehr, sehr alt.«
    Mahalar verzog höhnisch das Gesicht. Er ballte die Faust so hart, dass die blanken Knochen knackten. Das Wasser zitterte, als wäre es gescholten worden, und glitt von seiner Hand fort.
    »Sie hat dies hier zu ihrem Sitz erkoren, um der Seemutter zu trotzen. Und wir haben es aus demselben Grund als ihr Gefängnis auserwählt. Dieses Wasser erinnert sich an sie. Es erinnert sich an das, was sie getan hat.«
    Er streckte erneut seine Finger in Richtung des Wassers aus. Es gehorchte, war wachsam, streckte Tentakel aus, um die blanken Knochen seiner Fingerspitzen zu berühren.
    »Sie haben uns Sklaven dieses Wassers geschimpft. Uns, die Kinder der Seemutter. Und als wir sie nicht mehr länger unsere Meister nannten, haben wir sie dorthin zurückgeschickt. Das Wasser erinnert sich an sie, als sie noch nicht wie jetzt wie Dämonen aussahen. Es erinnert sich an sie, als sie noch wunderschön und übermütig waren. Es erinnert sich an die Steine, die wir an ihre Füße gebunden haben, als wir sie in das Wasser schickten.«
    Er seufzte müde und schloss seine matten gelben Augen.
    »Und es erinnert sich daran, wie sie sich wieder erhoben.«
    »So wie die Abysmyths«, murmelte Lenk.
    »Wir nannten sie den ›Feind‹. Das taten auch die Armeen der Sterblichen. Und wir haben gemeinsam mit ihnen gegen sie gekämpft.«
    »Ich habe sagen hören, dass die Erinnerung alles ist, was einen Dämon wirklich tötet.«
    »Die Erinnerung formt alles. Der Himmel und das Meer von Jaga können sich nicht mehr daran erinnern, was es bedeutet, getrennt zu sein.« Er deutete mit einer Hand auf die Fische, die durch den Nachthimmel über ihnen schwammen. »Das Land erinnert sich nicht mehr an meinen Namen, weil ich schon so lange da bin. Aber Wasser, Wasser erinnert sich an alles …«
    Er tippte mit einer dünnen, knochigen Fingerkralle auf die Wasseroberfläche. Ein Kräuseln lief über das Wasser, zerriss seine eigene Spiegelung und die der Sterne in kleine Stücke und verschluckte sie dann ganz.
    Als alles Licht verschwunden war, blieb nur noch etwas Riesiges und Schwarzes übrig, etwas Tiefes und Schreckliches.
    Ein Loch.
    Ein Loch, das sich in eine unendliche Leere unterhalb des Wassers erstreckte.
    »Wie …«, setzte Lenk an und starrte über den Rand, »wie tief reicht es?«
    »Bis zur Hölle«, erwiderte Mahalar gelassen.
    Es war schwer zu sagen, ob der Älteste der Shen einfach nur geheimnisvoll war oder wörtlich meinte, was er sagte. Lenk wollte es jedenfalls nicht wissen.
    Der junge Mann beugte sich weiter vor,

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