Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
Rhega , bin ich nicht.« Er drehte sich langsam herum. Sein Schädelhelm war verschwunden, bis auf einen Knochensplitter, der tief in seinem rechten Auge steckte. »Ich bin tot.«
»Das bist du nicht.« Gariath trat vor. »Du bist nur verwundet. Die überlebenden Shen haben sich zerstreut. Und die Langgesichter erklimmen gerade die Treppenstufen. Du musst …«
»Ich kann nicht. Ich kann mein Volk nicht hören. Ich kann meine Vorfahren nicht sehen. Ich bin irgendwo anders, Rhega. Mein Körper ist da unten, in dem Blut und dem Staub. Meine Seele ist hier und spricht mit dir.« Er blinzelte. Sein Augenlid zitterte und stieß gegen den Knochensplitter. »Bist du auch tot?«
»Nein.«
Gariath schlug zu, und seine Faust traf Shalakes Kinn. Der Shen taumelte und spuckte Blut.
»Genauso wenig wie du«, knurrte der Drachenmann. »Und jetzt beweg dich, geh nach unten! Sammle deine Krieger. Wir müssen …«
»Das können wir nicht, Rhega .«
»Wir können es, wir müssen einfach nur …«
»Wir können nicht.«
Shalake deutete mit einer Klaue auf den von Korallen gesäumten Horizont und die Krone des Sturms, die darüber toste. Es donnerte so laut, dass die Schlachtrufe, die Schmerzensschreie und das Klappern von Eisen verstummten und sich ein hallendes Schweigen über den Sandkreis legte. Ein gewaltiger Blitz erhellte den Himmel und tauchte einen der Berge in tiefe Schatten. Einen Berg, über dessen Abhänge Blut in breiten, fließenden Schleiern lief. Ein Berg, der ständig größer wurde.
Ein Berg, der näher kam.
»Sie sind schon da.«
Aus dem Wald und mitten in das Schweigen erschallte eine Stimme. Ein fernes Jammern, ein bestialisches Gurgeln, der hallende Klang einer Glocke, ein leises Flüstern, das Schlagen von Flügeln und darüber das Pochen eines Herzens, das all diese Geräusche zu einem einzigen Klang verschmolz.
Ein lauter Schrei stieg von der Streitmacht der Niederlinge auf. Er war kaum zu hören, obwohl er wie ein Lauffeuer durch die Kriegerinnen brandete. Ihre Phalanx setzte sich in Bewegung und richtete sich zum Rand des Sandkreises aus, in die Richtung, aus der die Kreatur auftauchte.
Die Schleier aus Kelp teilten sich und zitterten, als das Wesen hervortrat. Es war ein großer, skelettartiger Schatten, und er schritt auf langen, dünnen Gliedmaßen, die in schimmernde ebenholzschwarze Haut gehüllt waren, in den Sandkreis. Mit großen weißen Augen, die so leer waren wie das Nichts, betrachtete es das Gemetzel. Seine fischartigen Kiefer waren weit aufgerissen. Über ihnen donnerte es gedämpft. Dann fiel ein roter Tropfen aus dem Himmel, traf das Geschöpf und hinterließ einen roten Streifen auf seinen weißen Augen.
Sein Brustkorb sank zusammen. Es ballte seine mit Schwimmhäuten bestückten Klauen zu Fäusten.
Das Abysmyth warf seinen Fischkopf in den Nacken und stieß ein Heulen aus, das Himmel und Hölle zu durchdringen schien.
Die Welt hinter der Kreatur explodierte.
Sie strömten in Scharen heran, ergossen sich wie Flutwellen über den Horizont. Die Omen formierten sich zu großen Schwärmen, und ihre runzligen Gesichter glühten in einem hallenden Chorus. Die Froschwesen wogten in einem Meer aus fahlem Fleisch und glitzernden Speeren aus dem Kelp-Wald, schwappten auf das Schlachtfeld und strömten zum Mittelpunkt des Sandkreises. Die Abysmyths wateten inmitten dieser haarlosen Flut, schritten gemächlich auf das bevorstehende Massaker zu.
Die Niederlinge waren nicht so geduldig.
» QAI ZOTH !«, brüllten sie mit ihren eisernen Stimmen und forderten den Sturm und seinen dämonischen Chor heraus.
» ULBECETONTH !«, erwiderte die Flut kreischend.
» AKH ZEKH LAKH !«
» KRAKENKÖNIGIN !«
» ZAN QAI …!«
» ABGRÜNDIGE MUT …!«
Das Geschrei ging in dem hallenden Krachen von Metall und dem Klatschen von Fleisch unter, als die beiden Parteien in der Mitte des Sandkreises in einer großen, kreischenden Gewaltorgie aufeinanderprallten.
Gariath nahm der Anblick fast den Atem. Er hatte Gemetzel und Massaker gesehen. Er hatte Gemetzel und Massaker veranstaltet. Aber das hier, das war …
»Das ist das Ende, Rhega .«
Irgendwie hatte Shalake das ziemlich treffend ausgedrückt. Der Shen hob hilflos die Hände, und seine Keule hing immer noch schlaff und ohnmächtig in seinen Klauen.
»Das ist alles, wofür wir gekämpft haben. Die Chance zu sehen, wie es endet, und dann zu unseren Vorfahren heimzukehren.«
»Dazu bin ich noch nicht bereit«, schnarrte Gariath.
Das
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