Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
einen Gott hätte ersticken können. Es gab sehr viele Feuer. Weil es sehr viele Leichen gab.
Immer noch.
Drei Tage danach.
Sie arbeiteten alle gemeinsam, unten am Strand. Die Gonwa und die Owauku waren von Teji gekommen, gerufen von den Shen, die sie einst bedroht hatten. Sie trugen die Leichen herbei, errichteten Scheiterhaufen aus Korallen und Holz, sie hielten die Fackeln. Sie gingen in langen Reihen zwischen den Scheiterhaufen und dem Stapel mit den Toten hin und her, eine Reihe grüner Haut in einem langsamen Marsch, so wie sie es seit Tagesanbruch getan hatten und schon während des Sonnenuntergangs davor, bis sie sich mit einer solchen Selbstverständlichkeit zwischen den Toten bewegten, dass man kaum noch den Unterschied zu ihnen erkennen konnte.
»Wir verbrennen unsere Toten nicht.«
Lenk blickte hoch. Jenaji stand am Rand der Klippe und starrte auf den Strand hinunter. Es war der einzige Sandfleck, der noch nicht überflutet war.
»Als mein Vater starb«, sagte er, »starb er durch ein menschliches Schwert. Wir hatten ein Schiff überfallen, das zu dicht an unsere Insel gekommen war. Shalake nannte ihn einen Helden. Wir haben ihm seine Keule und seinen Schild gelassen und haben dann gewartet, bis die Flut kam und ihn mitnahm.«
Er blickte zu den Leichen. »Wir hatten unsere Traditionen bei gewissen Dingen. Damals, als wir noch ein Volk gewesen waren. Dann verstrich die Zeit. Die Gonwa wurden faul, und die Owauku verkümmerten. Ihr Leiden veränderte sie. Wir verachteten sie dafür. Wir ließen sie Gelübde ablegen, die unsere Vorfahren geschworen hatten, als sie noch ein Volk waren.«
Lenk blickte zum Mittelpunkt des Strandes, zu dem größten Scheiterhaufen, zu dem hellsten Feuer. Mahalar. Sie hatten ihn zuerst angezündet. Er brannte immer noch, drei Tage später.
»Es hat dies da gebraucht«, sagte Jenaji und deutete auf die Szenerie unter ihnen, »bis wir begriffen haben, was schon unsere Väter wussten. Was du da unten siehst, ist alles, was von uns übrig bleibt. Von uns allen. Wir haben nur Leichen und verbrannte Ruinen auf Komga gefunden. Wir kamen zerknirscht nach Teji. Wir baten die Owauku, die Schwächsten von uns, hierherzukommen und Holz mitzubringen, um …«
Er seufzte. »Es sind weniger als hundert von uns übrig geblieben. Drei Inseln, eine davon ein Friedhof. Und alles, was wir hatten, das Beste von uns, wird jetzt vom Wind davongeweht.«
Lenk blickte auf die Feuer und den Rauch. Er rieb über den Verband mit der Salbe auf seiner Schulter und hustete.
»Ja, also, mir geht es gut«, sagte er dann. »Wie ich schon sagte. Nur … also …« Er hustete wieder. »Ich dachte, das würde dich vielleicht interessieren.«
Jenaji sah ihn an und lächelte schwach.
»Jedenfalls wollte ich mich für deine Hilfe bedanken«, fuhr Lenk fort. »Als wir den Berg herunterkamen, wäre ich vermutlich gestorben, wenn du uns nicht geholfen hättest. Kataria ist zusammengebrochen, wahrscheinlich, weil sie mich den ganzen Weg hinuntergetragen hat. Danke übrigens, dass du das nicht erwähnt hast, aber … also … danke.«
Jenaji erwiderte seinen Blick eine Weile, bevor er sich umdrehte und grunzte.
»Schon gut.« Er rieb sich die Augen. »Du hast uns einen Dienst erwiesen. Die Shen wären stolz darauf gewesen, für das hier zu sterben. Wir haben unsere Pflicht erfüllt. Wir sind gut gestorben.«
Jenaji machte eine Pause und schüttelte dann den Kopf.
»Nein, was rede ich? Ich glaube es immer noch nicht.«
Lenk warf einen Blick auf das Schwert an seiner Seite. Es wäre irgendwie erbärmlich, wenn er ihnen dafür danken würde, dass sie es aus dem Wasser gefischt hatten, als der unterirdische See unter Jaga sich geleert hatte, vermutete er. Und außerdem würde seine Bitte auch so schon peinlich genug klingen.
»Also, es ist vielleicht ein schlechter Zeitpunkt, angesichts dieses ganzen … Massensterbens und so«, sagte Lenk, »aber …«
Jenaji wartete nicht, bis er seinen Gedanken zu Ende ausgesprochen hatte. Er nahm einen Beutel von seiner Schulter und hielt ihn vor sich hoch.
»Sieh dir das an. Es wiegt nichts. Wirf es in ein Feuer, dann brennt es wie jedes andere Buch. Und was das da angeht …« Er seufzte, als er über die Scheiterhaufen hinwegblickte, und warf den Beutel in Lenks Schoß. »Nimm es. Welche Gründe wir auch gehabt haben mögen, darauf aufzupassen, sie sind jetzt hinfällig.«
»Wir reisen in ein oder zwei Tagen ab«, antwortete Lenk. »Bist du sicher, dass du ein Boot
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