Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
Vom Netzwerk:
Bis er sich schließlich die Rolle des Ratgebers der Frau erschlichen hatte, die versuchte, eine Stadt zu retten, die von menschlichem Wundbrand befallen war.
    Bralston erinnerte sich an ihn, aus einer Zeit, als er noch nicht Denaos genannt wurde.
    »Ich besitze nicht die nötige Gewandtheit, Magier zu unterhalten«, sagte der Mann. »Jedenfalls genügt sie nicht, um der Faszination gleichzukommen, die sie verspüren, wenn sie ihre eigene Stimme hören. Also, wenn Ihr etwas braucht …«
    »Mörder.«
    Denaos drehte den Kopf, ein kleines Stück nur, sodass Bralston seine Augen sehen konnte. Es genügte. Dann wandte sich Denaos langsam ab.
    »So geht Ihr das also an? Einfach frei von der Leber weg?« Denaos lachte leise. »Ihr habt wahrlich kein Talent für Subtilität.«
    »Für das hier ist keine Subtilität vonnöten«, gab Bralston zurück. Seine Stimme klang hitzig, und sein Herz hämmerte. Von der Disziplin der Elite war bei ihm nichts mehr zu spüren. »Subtilität hat in Angelegenheiten der Rechtsprechung nichts zu suchen.«
    »Die einzigen Männer, die Angelegenheiten der Rechtsprechung ins Spiel bringen, sind jene, die sich für würdig erachten, sie auszuüben.«
    »Das hat nichts mit Würde zu tun, sondern mit Verantwortung.« Bralston spürte, wie das Blut durch seine Adern rauschte, aber er riss sich zusammen. Die Augen, die Schultern, die geschliffene Sprache; all das waren nur Indizien. Bibliothekare brauchten jedoch Logik, Beweise, die das Todesurteil rechtfertigten, wie stichhaltig sie auch sein mochten. »Und diese Verantwortung fällt jedem Mann zu, der weiß, was du getan hast.«
    »Und was habe ich getan, Bibliothekar?«
    »Du hast Menschen getötet.«
    »Ich bin ein Abenteurer. Ich habe alle möglichen Kreaturen getötet.«
    »Du hast Menschen ermordet.«
    Denaos saß regungslos auf dem Baumstamm. Aber als er antwortete, schwang in seiner Stimme eine gewisse Schärfe mit, wie von einer grob geschliffenen Klinge, die mit Rost und Blut überzogen war.
    »Die Männer, die mir vorwerfen, ich hätte Menschen ermordet«, antwortete er, »wissen nicht, wie viele Menschen ich ermordet habe.«
    »Eintausendvierhundert«, entgegnete Bralston. »Eintausendvierhundert Männer, Frauen und Kinder, Familien mit Haustieren und Häusern, die in jener Nacht niedergebrannt wurden, in der du sie ermordet hast.«
    Denaos ließ den Kopf noch tiefer sinken und rieb sich den Nacken.
    »Es waren mehr.«
    Bralston wich entsetzt zurück. Er konnte es nicht fassen; weder das Geständnis noch die Gleichgültigkeit, mit der es abgelegt worden war. Es war, als streute jemand mit langen Fingern Zucker über eine Platte mit verbranntem Fleisch.
    Dieser Satz hatte jedenfalls viel mehr Gewicht als alle anderen. Zusammen mit dem Anblick des Mannes drohte er ihn aus der Bahn zu werfen, schien ihn zu zwingen, die Hand zu heben, einen Bann zu sprechen und diesen Mann in Asche zu verwandeln, die der Wind verwehte. Er wandte sich ab, um dem Drang zu widerstehen. So schwer dieses »mehr« auch wiegen mochte, es gab noch ein anderes Wort, das ebenfalls Gewicht hatte.
    »Wie viele?«, erkundigte er sich.
    »Viele«, erwiderte Denaos, ohne zu zögern. »Mütter, Huren, Kaufleute, Politiker.« Er hielt inne. »Kinder. Nicht so viele, wie ihr Tod verursacht hat. Aber bei ihnen … Ich habe ihnen in die Augen geblickt, ich hatte die Chance, davon abzulassen. Viele Chancen.«
    »Aber du hast es nicht getan.« Bralston setzte seinen Hut ab und fuhr mit der Hand über seinen kahlen Schädel, als versuchte er, die Worte des Assassinen so zu verändern, dass sein Verstand nicht davor zurückschreckte. »Wie viele Chancen?«
    »Ich habe noch eine«, antwortete Denaos. »Und zwar eine, der ich jetzt seit etwa einem Jahr nachlaufe.« Er seufzte. »Die Fibel … Ich kann nur hoffen, dass sie die Waagschale zu meinen Gunsten ins Lot bringt.«
    »Du glaubst, es gibt eine Waagschale? Du glaubst, es gäbe einen Ausgleich für das, was du getan hast?«
    »Man hat mir noch eine Chance gegeben; die Götter gaben sie mir.«
    »Es gibt keine Götter!«
    »Aber es gibt einen Grund, warum Ihr mich noch nicht getötet habt.«
    »Ich muss es wissen.« Er setzte den Hut wieder auf und holte tief Luft. Die Macht, seine Macht strömte wieder in ihn hinein. Sie sprang in seine Finger, eine Magie, die sich gierig gegen jegliche Disziplin aufbäumte, die seine Position von ihm verlangte, eine Magie, die nach Vergeltung lechzte.
    »Ich trage Verantwortung«, sagte er.

Weitere Kostenlose Bücher