Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
noch mehr Fragen an sie, und ihre Antworten würden zunehmend schlimmer werden.
Als wenn es eine richtige Antwort gäbe, dachte sie bedauernd. Was willst du denn sagen? »He, bleib hier, während ich versuche, die Grünshict zu finden, mit denen ich herumgehangen habe, als ich dich irgendwie immer noch umbringen wollte. Ich bring dir auch einen kleinen Imbiss mit.«
Ihr Magen verkrampfte sich, es schnürte ihr die Kehle zu. Sie schluckte. Ihr war übel.
Nicht dass die Wahrheit viel besser wäre. Nur zu, sag ihm, dass es wehtut, wenn er dich ansieht. Finde heraus, was passiert, wenn du ihm sagst, dass du weißt, dass er dir wehtun will.
Sie seufzte und schloss die Augen.
Gut, die Sache ist geklärt. Wegzulaufen war die richtige Antwort. Du kannst nichts dagegen tun, dass es trotzdem eine schreckliche Antwort ist.
Sie hob den Blick und sah, wie die Mauer aus Kelp langsam immer höher aufstieg und unheimlich schwankte.
Schrecklich und nutzlos.
Die innere Mauer war quasi zu Pulver zerfallen. Sie war an keiner Stelle so dick oder so fest wie die äußere Mauer, sondern zu einer dünnen Linie von Trümmern zerfallen, die tapfer versuchten, den Kelp zurückzuhalten – was gar nicht nötig war. Der Kelp selbst war eine Mauer, eine riesige grüne und vollkommen undurchdringliche Mauer, die endlos neben der Straße verlief.
Sie wusste, dass dies ein Zeichen war. Ein Omen, das man ihr geschickt hatte. Es sagte ihr, sie solle zurückgehen, mit ihm reden, ihm sagen, dass sie versuchte, ihn zu beschützen, dass er ihr wehtat, dass sie ihm wehtun wollte und dass sie wusste, dass er ihr wehtun wollte.
Nur schickte Riffid niemals Omen.
Und Riffid war die Göttin der Shict.
Kataria war eine Shict … oder etwa nicht?
Sie seufzte und rieb sich die Augen. Das alles war einfach albern. Vielleicht sollte sie nicht zurückgehen. Vielleicht wäre es einfacher, sitzen zu bleiben und zu warten, dass irgendetwas des Weges kam und ihn umbrachte und ihr die Mühe ersparte.
Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Sie warf einen finsteren Blick über die Straße. Dafür, dass es die Heimat der Shen ist, sollte man eigentlich annehmen, es wäre mehr …
Ihre Hand fuhr hoch, ballte sich zur Faust und hämmerte gegen ihre Schläfe, versuchte den Gedanken herauszuprügeln.
Nein! NEIN ! Denk das nicht zu Ende. Du weißt ganz genau, was passiert, wenn du es tust.
Sie ließ sich auf die Fersen sinken, holte scharf Luft. Der Kelp schwankte stumm. Der Nebel waberte lautlos. Der Stein beobachtete sie schweigend. Sie ließ los.
So. Das war doch gar nicht so schwierig, habe ich …?
Ihre Ohren zuckten und richteten sich gerade auf, als sie plötzlich ein Geräusch hörte.
»Ach, nun komm schon …!«, schnarrte sie leise.
Irgendwo anders wäre es vielleicht nur ein Murmeln gewesen, das vom Wind verweht wurde. In dieser Stille jedoch war das Geräusch, mit dem eine Bogensehne gespannt wurde, so laut, dass man genauso gut eine lebende Katze dafür hätte benutzen können.
Ihre Bogensehne knarrte ebenso laut, als sie herumwirbelte, während ein Pfeil auf die Sehne sprang und sie den Bogen hob.
Der Shen hockte mit gespanntem Bogen oben auf der Mauer und zielte auf sie. Aber nicht so weit oben, dass sie nicht hätte erkennen können, wie der Echsenmann seine gelben Augen bösartig zu Schlitzen zusammenzog. Ebenso wenig entging ihr das Schimmern der Pfeilspitze am Ende eines schwarzen Schafts.
Er hockte wie ein grüner Gargoyle auf der Mauer. Sein hoch aufgeschossener Körper verharrte steif und atemlos, ohne sich zu rühren, um den Hinterhalt nicht zu verraten, den sie gerade hatte auffliegen lassen. Die Muskeln unter der schuppigen Haut, über die Streifen von schwarzen Tätowierungen liefen, waren angespannt. Die Nüstern zitterten am Ende der langen reptilienartigen Schnauze. Die Echse rührte sich nicht. Als hoffte sie, Kataria würde einfach vergessen, dass sie da war, wenn sie nur lange genug regungslos hocken blieb.
Kataria war nicht klar, warum der Echsenmann noch nicht geschossen hatte. Vielleicht wusste er nicht, ob er schneller war als sie oder wer ein besseres Ziel bot. Oder aber er wartete auf etwas anderes.
»Das ist nicht fair, weißt du!«, rief sie hinauf. »Ich habe deinen Namen nicht einmal gedacht.«
Der Schwanz des Shen zuckte hinter seinem Körper. Es war das einzige Zeichen, dass er überhaupt lebendig war.
»Kannst du mich verstehen?«
Die Kreatur sagte nichts.
»Hör zu, ich bewundere jeden, der sich unbemerkt an
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