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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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vorbereiten.«
    »Das hat Zeit«, behauptete Mamma Carlotta, die in Umbrien den größten Teil des Vormittags in der Küche verbrachte, weil für eine italienische Hausfrau jede Mahlzeit aus Antipasti, Primo piatto und Secondo piatto bestehen musste und ohne Dolci nicht auskam. »Ich fahre mit euch nach Westerland, Enrico. So habe ich Gelegenheit, mir das Polizeirevier anzusehen, in dem du arbeitest. Sicherlich hast du sehr nette Kollegen. Und Westerland soll ja wunderschön sein. Teure Geschäfte, ein Kasino, Kurkonzerte, ein Hallenbad …« Mamma Carlotta stand schon neben dem Wagen, ehe Sören das Haus abgeschlossen hatte.
    Während Erik das Auto öffnete, überlegte er, ob er Frau Kemmertöns ins Verhör nehmen sollte. Hatte sie Mamma Carlotta wirklich geraten, den Frisör in Kampen aufzusuchen? Oder war es blanke Neugier, die seine Schwiegermutter in die Nähe des Tatorts getrieben hatte? Dass das Durcheinander auf ihrem Kopf das Werk eines Fachmannes war, hielt er für ausgeschlossen. Und das, obwohl Sören in diesem Augenblick sagte: »Tolle Frisur, Signora! Meine Freundin trägt die Haare neuerdings auch so. Bed head heißt das wohl.«
    Mamma Carlotta und ihr Schwiegersohn sahen gleichermaßen verständnislos drein, und Sören erläuterte: »Der Kopf soll so aussehen, als sei man gerade aus dem Bett gekommen. Das ist modern heutzutage.«
    Erik schüttelte den Kopf. Seit Mamma Carlotta am Tatort aufgetaucht war, fühlte er sich wie der Antagonist in einem Miss-Marple-Krimi. Und was wäre, wenn er sich nun einfach weigerte, das Polizeirevier von Westerland zur Besichtigung freizugeben? Wenn er einfach in Wenningstedt anhielt und Mamma Carlotta am Süder Wung absetzte?
    »Es war immer schön, wenn Ihre Frau uns im Polizeirevier besuchte«, sagte Sören in diesem Augenblick. »Wissen Sie noch, wie oft sie uns selbst gebackenen Kuchen brachte?« Er warf ihm einen kurzen Blick zu. »Jetzt kann ich es ja sagen: Sämtliche Kollegen haben Sie um Ihre Frau beneidet.«

7
    Sören hatte Recht. In dieser Lage konnte kein Laden florieren. Und tatsächlich sah alles danach aus, als hielte Fisch-Andresen sich nur mit Mühe über Wasser. Ein Plakat im Schaufenster prahlte zwar mit günstigen Preisen und pries den Bring-Service an, der jede noch so kleine Bestellung kostenlos ins Haus lieferte, aber das übersichtliche Angebot und die Bescheidenheit des winzigen Ladens mussten in jedem Kunden Misstrauen wecken. Auch in dem, der wohlwollend zur Kenntnis nahm, dass es im Schaufenster von Fisch-Andresen vor Sauberkeit nur so blitzte.
    Sören betrachtete das Schild, das über der Eingangstür hing. »Wolf Andresen«, las er, dann grinste er seinen Chef an. »Noch ein Wolf!«
    Erik lächelte nicht. »Als Andresen diesen Laden eröffnete, soll er behauptet haben, Gosch müsse sich demnächst warm anziehen.«
    Sören verdrehte die Augen. »Ich vermute eher, dass Fisch-Andresen jetzt Konkurs anmelden muss, nachdem er eine gute Kundin verloren hat. Wahrscheinlich war sie seine beste. Mal sehen, ob Andresen schon erfahren hat, dass er Christa Kern aus seiner Kundenkartei streichen kann.«
    Eine Glocke schepperte, als Erik die Ladentür öffnete, und sie schepperte wieder, als Sören die Tür ins Schloss drückte. Erik betrachtete ein paar Dorsche, die ihn aus toten Augen anglotzten, während er den schwachen Geräuschen lauschte, die in den Ladenraum drangen. Hinter einer Tür wurde mit Geschirr geklappert, durch einen Vorhang aus Perlenschnüren drang die leise Stimme einer Frau, die immer wieder unterbrochen wurde durch das Weinen eines Kindes. Anscheinend begann dort bereits das Privatleben von Wolf Andresen.
    Das Geschirrgeklapper verstummte kurz, eine Stimme rief: »Ich komme sofort!«, dann ging das Klappern weiter.
    Sören schnupperte geräuschvoll, um anzuzeigen, dass ihm der Fischgeruch nicht behagte, dann trat er ans Fenster und blickte auf die Straße. »Wie lange dauert das denn?«, murmelte er.
    Erik lauschte der Frauenstimme. »… wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber wusste nicht, was das für ein böses Tier war, und fürchtete sich nicht …«
    »Sie wünschen bitte?«
    Erik fuhr zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass sich die Tür hinter dem Tresen geöffnet hatte. Seine Ohren waren von Rotkäppchen und dem bösen Wolf angezogen worden, seine Augen von einer Sardinenreihe, die sich besonders wirkungsvoll präsentierte, weil die Fische Kiemen an Kiemen, Flosse an Flosse,

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