Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
zögerte kurz. »Und wenn er’s nicht tut, kann ich trotzdem da gewesen sein, jawoll. Tove schikaniert mich, wo er kann. Obwohl er eine Menge Geld an mir verdient. Ich bin ja oft wochenlang sein einziger Gast.«
»Warum gehen Sie dann immer wieder in Käptens Kajüte, wenn Sie von Tove nicht einmal ein Alibi bekommen könnten?«
»Ach, das mit Tove und mir ist so eine Sache …«
»Ich weiß«, nickte Erik. »Ich kenne den Fall, der Toves Schwester das Leben gekostet hat. Und ich weiß natürlich auch, auf welche Weise Sie mit diesem Mordfall zu tun haben, Fietje. Aber …«
Vor Fietjes Miene waren Wolken aufgezogen, seine Augen sprühten die ersten Blitze. »Ich will nicht davon reden, Herr Hauptkommissar. Und das muss ich auch nicht. Was mit Tove und mir ist, geht niemanden was an. Als wir merkten, was uns verband, hatten wir schon ein paar Nächte in Käptens Kajüte durchgesoffen. Und dann, als sich zufällig herausstellte, dass ich Toves Schwester mal gut gekannt habe … da hat Tove mir Hausverbot erteilt. Zwei Tage später hat er mich schon wieder reingelassen. Tove hat ja sonst niemanden, jähzornig, wie er ist. Die paar Freunde, die er mal hatte, sind alle zu Feinden geworden. Klar, er kann mich nicht leiden. Aber Zweisamkeit mit Hass ist immer noch besser als Alleinsein ohne jedes Gefühl.«
Diesen Satz prägte Erik sich ein, ehe er weiterfragte: »Waren Sie am Sonnabend zwischen 16 und 22 Uhr auch in Käptens Kajüte?«
»Nö, um zwei wollte Tove für ein paar Stunden schließen. Da bin ich ein bisschen rumgelaufen.«
»Sie haben ein bisschen in fremde Fenster gesehen! Aber nicht in Kampen?«
Fietje drehte seine Strickmütze in den Händen, seine hellen Augen wanderten unruhig durch den Raum, immer wieder griff er zu seinem kurzen, struppigen Bart. »Ich hab jedenfalls nix gesehen«, wiederholte er.
Erik seufzte. »Fietje«, versuchte er es ein letztes Mal, »ich weiß, dass man Ihnen Schwierigkeiten angedroht hat für den Fall, dass Sie noch einmal auf fremden Grundstücken erwischt werden. Aber ich sage Ihnen: Wenn Sie die Arbeit der Polizei behindern und die Aufklärung eines Mordfalls vereiteln, sind Sie Ihren Job genauso los. Noch sicherer!«
»Ich hab nix gesehen«, beharrte Fietje.
»Und am Montag? Als die Tatortarbeit begonnen hatte? Da waren Sie wirklich nur ganz zufällig in der Nähe von Christa Kerns Haus?«
»Hab ich doch gesagt.« In Fietjes Augen glomm ein schwaches Licht auf. Die winzige Flamme des Triumphes, die in die Höhe schießen würde, sobald er wieder auf dem Kirchenweg stand. »Ich war rein zufällig in Kampen. Ich hatte gehört, dass da was passiert war. Und da hab ich gedacht, ich guck mich mal dort um. Ist doch nicht verboten, oder? Mal am Haus vorbeigehen und gucken!«
Erik gab es auf. »Also gut.« Er erhob sich und sah auf Fietje hinab. »Überlegen Sie sich alles noch mal genau. Und wenn Sie Ihre Aussage ergänzen oder ändern wollen, kommen Sie einfach noch einmal her.«
»Jawoll, Herr Hauptkommissar!« Fietje sprang auf und war auch schon an der Tür. »Schönen Tag noch.«
Die Tür war kaum ins Schloss gefallen, da öffnete sie sich schon wieder. Sören stand kopfschüttelnd da. »So fröhlich, wie Fietje das Haus verlassen hat, haben Sie wohl nichts aus ihm rausgekriegt, oder?«
Erik nickte. »Er ist verstockt wie ein Fisch. Aber vielleicht hat er ja wirklich nichts gesehen.«
Sören legte ein paar Notizzettel vor Erik hin. »Ich habe mich mal erkundigt. Jens Gühlich ist tatsächlich soeben entlassen worden. Nach fünfzehnjähriger Haft.«
»Wer ist Jens Gühlich?«
»Tove Griess’ Schwager. Der Mann, der seine Frau erschlug, als er merkte, dass sie ihn betrog. Toves Schwester! Eigentlich wollte er ja auch den Liebhaber zur Strecke bringen. Fietje Tiensch!« Sören sah eine Weile in Eriks verschlossenes Gesicht. »Wir sollten ein Auge auf Fietje haben. Könnte ja sein, dass die fünfzehn Jahre nicht ausgereicht haben, um den Zorn des Mörders abzukühlen. Könnte auch sein, dass er wütender denn je ist. Schließlich hat er Fietje gewissermaßen die fünfzehn Jahre zu verdanken. Wenn der nicht was mit seiner Frau angefangen hätte …«
»Sie meinen, Fietje Tiensch ist in Gefahr?«
Sören zuckte die Schultern. »Möglich ist alles. Wir sollten ein Auge auf ihn haben.«
»Zweisamkeit mit Hass ist immer noch besser als Alleinsein ohne jedes Gefühl.« Erik sah in Sörens erstauntes Gesicht, dann erklärte er: »Das hat Fietje gerade
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