Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
gut überstanden hatte wie sie selbst ihren Fahrradausflug. Und noch dazu meinte sie, schon einmal gehört zu haben, dass es sich viel besser radeln ließ, wenn man ein klitzekleines Gläschen Rotwein zu sich genommen hatte.
Sie sah Toves ramponierten Lieferwagen vor der Tür stehen und wunderte sich nicht, dass die Laune des Käptens denkbar schlecht war. Aber mit Freude bemerkte sie, wie sich seine Miene erhellte, als er sie erkannte.
Ohne zu fragen, holte er den Rotwein aus dem Vorrat und goss Mamma Carlotta ein Glas ein. »Geht aufs Haus«, erklärte er und berichtete ungefragt von dem Unfall, den eine von diesen Touristinnen verschuldet habe. Dann widmete er sich weiter der Reinigung des Mayonnaisespenders. »Hat Ihr Schwiegersohn etwas von dem Unfall erzählt?«
Mamma Carlotta nippte an ihrem Rotwein. »Ja, er hat es kurz erwähnt, aber … ich habe gar nicht richtig zugehört.« Sie überlegte kurz, was es gewesen war, was sie abgelenkt hatte. Dann fiel es ihr wieder ein: »Ich hatte gerade herausbekommen, wer Christa Kern ermordet hat, und deswegen …«
Sie schrak zusammen, als der Mayonnaisespender zu Boden polterte und ein Tablett voller Gläser mit sich riss. So weit wie möglich beugte sie sich über die Theke, blickte auf Toves Hinterkopf und fragte: »Soll ich Ihnen helfen?«
»Natürlich nicht«, kam es zurück. Tove erhob sich und stellte den Mayonnaisespender wieder auf. Dann holte er Handfeger und Kehrschaufel und fragte, ohne Mamma Carlotta anzusehen: »Und wer, glauben Sie, ist der Mörder?«
»Wolf Andresen natürlich! Mein Schwiegersohn will es allerdings nicht glauben. Und sein Assistent auch nicht. Erik meint, dass die Schwester es getan hat, und Sören verdächtigt die Putzfrau.«
»Interessant«, murmelte Tove. »Und warum tippen Sie auf Wolf Andresen?«
Mamma Carlotta legte es ihm in aller Ausführlichkeit dar. Und jeder Mutmaßung, die sie äußerte, pflichtete Tove bei. Mamma Carlotta war hocherfreut, dass sie hier auf ungeteilte Zustimmung stieß.
Da öffnete sich die Tür und Fietje erschien. »Moin«, brummte er, nahm die Mütze vom Kopf und ließ sich neben Mamma Carlotta an der Theke nieder. »Moin, Signora. Ich brauche einen Grog.«
»Frierst du?«, fragte Tove.
»Ja, aber mehr so innerlich.«
»Wo warst du denn überhaupt so lange? Sonst kommst du doch immer früher!«
»Ich hatte was zu erledigen, jawoll.«
Tove grinste. »Bei der Polizei?«
»Wie kommst du denn darauf?«, fuhr Fietje auf.
»Weil Uwe eben hier war. Und der hat dich vor der Polizeistelle in Westerland gesehen.«
»Erzähl mir lieber, was mit deinem Auto passiert ist.«
Tove winkte ab. »Weiber!« Dann wandte er sich wieder an Mamma Carlotta. »Was will der Hauptkommissar jetzt in dem Mordfall unternehmen?«
Mamma Carlotta zuckte die Schultern. »Ich glaube, er wartet auf das Ergebnis der … wie heißt das noch, wenn man die Leiche … Madonna, ist das schrecklich! … also, wenn man die Leiche aufschneidet.«
»Obduktion?«
»Ecco. Er wartet auf das Ergebnis der Obduktion.« Sie betrachtete erst Tove und dann Fietje, der auf seine Mütze starrte, als hätte sie in der letzten Stunde ihre Farbe verändert. »Kannten Sie Christa Kern?«, fragte sie.
Tove schüttelte den Kopf. »Nö. Ich verkehre nicht mit reichen Leuten aus Kampen.«
»Red keinen Schiet«, rief Fietje hinter ihm her. »Klar kennst du die Kern. Ich hab dich mal in ihrem Haus gesehen, jawoll.«
»Du? Mich? In ihrem Haus?«
»Jawoll! Ist noch gar nicht so lange her.«
»Du verdammter Spanner«, zischte Tove. »Ach, jetzt fällt’s mir wieder ein … Ja, ich hatte mich mal bei der Kern beworben. Als Gärtner! Außerhalb der Saison, wenn in Käptens Kajüte nichts los ist. Sie hat mich auch zwei Tage zur Probe arbeiten lassen. Umsonst natürlich! Diese alte Hexe! Verdammt reich und genauso geizig!«
Fietje grinste. »Du hast den Job nicht bekommen?«
Tove nickte. »Ich bin sogar ziemlich sicher, dass sie nie die Absicht hatte, mich als Gärtner zu beschäftigen. Die wollte nur, dass ich zwei Tage auf den Knien liege und in ihrer Erde rumwühle. Ich sehe sie noch grinsen, als sie mir sagte: ›Ihre Kenntnisse haben mich nicht überzeugt, Herr Griess. Es reicht nicht, dass Sie Unkraut von Heckenrosen unterscheiden können.‹ Kein Wunder, dass jemand die Welt von ihr befreien wollte.«
Mamma Carlotta gab zu bedenken, dass auch der schlechteste Mensch ein Teil der Schöpfung sei, aber Fietje grinste nur und sagte: »Wie kann
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