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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nicht in Luft aufgelöst haben.« Sören sah auf die Uhr. »Wir müssen los. Ich habe Fietje Tiensch einbestellt.« Er grinste leicht, als er sah, dass Mamma Carlotta aufstand und die Espressotassen aus dem Schrank holte. »Aber dem kann es nur guttun, wenn wir ihn eine Weile schmoren lassen.«
    Erik beschloss, den Weg von Westerland nach Wenningstedt zu Fuß zurückzulegen. Das tat er häufig, wenn er in Ruhe nachdenken wollte. Mit dem Blick aufs Meer, dem Sand unter seinen Füßen und dem Wind im Gesicht fiel ihm alles leichter, auch das Denken. Also gab er Sören den Autoschlüssel und wies ihn an, den Wagen nach Wenningstedt zu fahren. »Sie können dann Feierabend machen. Wenn Dr. Hillmot endlich mit der Obduktion fertig ist, rufe ich Sie an.«
    Erik entschloss sich, direkt an der Wasserkante entlangzulaufen. Eine gute halbe Stunde, mehr Zeit würde er nicht brauchen. Als er am Ende der Friedrichstraße den Asphalt, die Häuser, die Menschen, die Unruhe hinter sich ließ, blieb er eine Weile stehen und sah aufs Wasser hinaus. Schon bald spürte er, dass sich die Last des Arbeitstages von ihm löste. Die Brandung mit ihrem zuverlässigen Rhythmus sog alles Unzuverlässige auf und nahm es mit sich, auch Ärger und Überdruss.
    Der Wind war frisch und aufgeweckt, gab sich mal zahm, mal ungestüm, streichelte manchmal nur die Haut und fuhr schon im nächsten Augenblick schmerzhaft in die Ohren. Die Wolkendecke riss auf, ließ ein paar grelle Sonnenstrahlen durch, aber die milde Abendsonne würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Luft roch würzig, ein Gemisch aus Salz, Sand und Meeresbrise.
    Er war gleich nach dem Mittagessen zu Wolf Andresen gegangen, um dessen Alibi zu überprüfen. Andresen hatte nicht zu überlegen brauchen. Er war zur Tatzeit zu Hause gewesen. Seine Frau bezeugte es, ohne zu zögern. Erik sah in den Himmel, der so zerrissen war wie seine Gefühle. Andresen hatte also ein Alibi, aber viel wert war es nicht. Möglich, dass Ulla ihren Mann deckte, um die Operation des Kindes nicht zu gefährden. Möglich sogar, dass die beiden unter einer Decke steckten oder die Mutter des kranken Kindes den Vater angestiftet hatte.
    Er hatte versucht, mit Ulla über eine mögliche Operation in den USA zu reden. Aber sie hatte ihn nur erstaunt angesehen, so, als wüsste sie nichts von dieser Chance. »Wir hätten ja sowieso das Geld für so eine Operation nicht. Sie haben doch gesehen, dass dieser Laden nichts einbringt. Warum sollten wir diese Möglichkeit verfolgen? Glauben Sie, wir wollten uns selbst quälen? Was meinen Sie, wie uns zumute wäre, wenn wir wüssten, dass es für Saskia Hilfe gäbe, wenn wir nur genug Geld hätten?«
    Und auf Eriks Frage, ob Wolf Andresen versucht habe, von Christa Kern Geld für eine Operation in den USA zu bekommen, war sie ärgerlich geworden. »Haben Sie mich nicht verstanden? Für uns ist Saskia austherapiert. Selbst wenn es in einem anderen Land Hilfe gäbe - wir könnten ja nicht einmal den Flug bezahlen. Warum also nach Hoffnungen suchen? Danach wird alles nur noch schlimmer. Saskia hat eben den falschen Vater. Wenn mein Mann beruflich erfolgreicher wäre …«
    Diesen Satz hatte sie nicht zu Ende gesprochen. Ein paar Augenblicke der Stille waren entstanden, einer quälenden Stille, die sich nicht in einer folgenden Frage auflöste. Also hatte Erik sich verabschiedet und war gegangen.
    Im Eiltempo hetzten die weißgrauen Wolken über ihn hinweg, ausladende Teppiche, ausgefranste Tücher, kleine Fetzen, die sich plötzlich auflösten oder sich zu gewaltigen Figuren auftürmten, dann sogar zu Erdteilen, in die sich blitzschnell breite Flussmündungen gruben. Nordamerika trieb heran und wurde kurz darauf schon zu einem Kessel, aus dem Dampf aufstieg. Ein paar Kuschelwölkchen folgten, weit genug voneinander entfernt, um erneut ein paar Sonnenstrahlen durchzulassen.
    Es war gut, dass ihm der Wind entgegenkam. Erik wollte sich nicht treiben lassen, sondern gegen ihn angehen. Fietje war jemand, der sich gern treiben ließ, der sich wohl sein ganzes Leben lang hatte treiben lassen. Jetzt schaffte er es nicht mehr, seinen Platz im Leben zu behaupten. Nun reichte es ihm, sich das Leben anderer anzusehen und sich vorzustellen, es wäre sein eigenes.
    Fietje hatte eisern bestritten, den Mord an Christa Kern beobachtet zu haben. »Ich war am Sonnabend nicht bei der Kern, jawoll. Ich war in Käptens Kajüte wie immer. Jedenfalls vormittags. Tove kann das bezeugen.« Er

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